Herr der Moore
Donald sie piesackte, und dann nur die Köpfe schüttelten, ehe sie sich wieder ihrem Tagewerk widmeten. Er war schon immer das Lieblingskind gewesen, was ihm offenbar freie Hand verschaffte, Tabitha das Leben schwer zu machen, wann immer er es für angemessen hielt; er kam stets damit durch.
Donald hielt Schritt, als sie schneller ging. In ihr brodelten Angst, Abscheu und Selbstverachtung gleichermaßen. Endlich erreichte sie die Haustür, doch sobald sie den Knauf anfassen wollte, packte er sie an der Hand und drehte sie brüsk um, damit sie ihn anschaute.
»Du bist heute nicht sonderlich nett, Tabby.«
»Nenn mich nicht so.« Sie mied seinen Blick.
»Warum nicht? Erinnert dich der Name etwa an eine Katze? Das sollte dir eigentlich nicht viel ausmachen, denn zwischen dir und den Tieren bestehen Gemeinsamkeiten. Ihr seid gewieft und hinterlistig, vor allem wenn es darum geht, Mäuse zu fangen.« Er kicherte wie irre, während sie versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu winden. Deshalb packte er umso fester zu und rückte ihr dichter auf den Leib, bis sie den Tabak roch, mit dem seine Kleider verqualmt waren.
»Du hast geraucht«, erkannte sie und musste sich mit einem Achselzucken abspeisen lassen.
»Na und? Du hast schon weit Schlimmeres angestellt, oder?«
Sie schloss die Augen und dachte, eines Tages bekommt er die Retourkutsche, oh ja. Dann fängt er sich eine blutige Nase ein.
Letztlich ließ er sie los, doch sie wusste, dass er noch nicht fertig war – nicht bis sie sagte, was er hören wollte. Sie erschauderte und bangte darum, er möge die Unterhaltung – falls es bloß das war, was ihm vorschwebte – drinnen im Warmen weiterführen. Allerdings blieb er schlicht stehen, grinste unsympathisch wie immer und wartete.
»Er geht hin«, sprach sie dann. »Er wird zum Tanz kommen.«
Donald nickte. »Braves Mädchen. Ich schätze, du hast ihm die Nacht seines Lebens versprochen.«
Er zwinkerte und wollte gerade eintreten, da hielt sie ihn an der Jacke fest, woraufhin er sich umdrehte und auf ihre Hand starrte, als sei ihr ein sechster Finger gewachsen. Sie ließ sofort von ihm ab.
»Was?«, fragte er, und jedweder Humor, so künstlich er gewesen sein mochte, schien wie weggezaubert.
Sie zögerte und räusperte sich. »Ist unser Abkommen damit geschlossen?«
Er wiegelte ab: »Warten wir bis heute Abend.« Als er eintrat, gackerte er erneut. Gleich hinter sich schlug er die Tür zu, als sei Tabitha in der Tat eine Katze, die er gerade aus dem Haus gescheucht hatte.
Tut mir leid , dachte sie und fing zu weinen an. Es tut mir entsetzlich leid, Neil. Vergib mir, was ich angerichtet habe … und was sie mit dir tun werden.
8
Doktor Campbell schaute sie an und wartete auf eine Reaktion. Da diese ausblieb, seufzte er leise und trat vor die Theke.
Unter den Kunden des Fox & Mare hatte Sarah Laws einmal den Spitznamen Strahlemädchen getragen, der keineswegs abwertend gemeint war. Sie selbst hatte ihn spaßeshalber geprägt, rückblickend wohl nicht die klügste Wahl. Die Schar gutmütiger Betrunkener, die dabei gewesen waren, hatten den Ausdruck sofort aufgeschnappt und ihrem wirklichen Namen gegenüber vorgezogen. Allerdings war dieser sowieso gemeinsam mit ihrem Ehemann gestorben. Sicher, eine trauernde Witwe Strahlemädchen zu nennen, schickte sich nicht, und dies wussten alle, die sich unter der Rauchglocke der Taverne einfanden.
Am Tag, als ein Pferd ihren Liebsten dahinraffte, wurde sie wieder zu Sarah.
Am Tag, als ein Pferd ihren Liebsten dahinraffte, verschwand ihr Frohsinn. Strenge und Bitterkeit ließen sie altern, tünchten manche Strähne ihres Rotschopfes grau und zogen ihre Mundwinkel nach unten, um neuen Falten die Richtung vorzugeben.
Damals stand Frank Campbell Sarah in ihrem Kummer nahe und bekundete Beileid, obwohl er sichtlich aufgeregt war und seine Hoffnungen nicht verbarg. Er gehörte zu den wenigen Männern, die sich nicht beirren ließen, weil sie sich verändert hatte und allem Anschein nach seelisch verkümmerte. Ihm galt dies als Zeichen dafür, dass sie sich öffnete; sie ließ ein Türchen aufstehen, zwar nur einen Spaltbreit, aber immerhin. Wer Liebe und edle Absichten mitbrachte, so glaubte der Doktor, mochte sich hindurchzwängen.
In Brent Prior gab es viele Frauen, die jung geheiratet hatten und in den Ketten ihrer Ehe darbten. Das Licht der Zuversicht und Sehnsucht in ihren Augen war längst erloschen, und sie fristeten ihren Alltag in praktisch unverschleiertem
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