Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
Vom Netzwerk:
unaussprechlichen Wesen her, das in seiner Urgewalt am Fuß des Bettes stand und das Maul weit aufriss, um mit Blut verklebte Zähne zu entblößen und seine bleiche Zunge auszurollen, als weide es sich stumm an seiner Hilflosigkeit. Lange blieb es nicht, doch jedes Mal, wenn es sich auflöste, ward Mansfield auf ein weiteres Monstrum zurückgeworfen – sich selbst, ein schweißgebadetes Antlitz mit großen Augen, die aus dem Spiegel vor ihm über die Bettdecke spähten.
    Manchmal stand auch Callow im Zimmer und grinste ihn an. »Auf der Jagd ist alle Beute einerlei«, pflegte er zu wispern und kicherte dann, was sich nach Kohlen anhörte, die durch ein Rohr in die Tiefe kullerten.
    Bei vollem Bewusstsein war auch der nunmehr vertraute Schmerz vollständig ausgeprägt. Mansfield ächzte leise, da tausend Messer in seinen Beinen zu stecken schienen. Fast kam es ihm vor, als ordneten sich seine Knochen von selbst neu an, allerdings zu unmöglichen Gebilden. Das Knacken, das er gelegentlich in der Nacht vernahm, als ob etwas bräche, beflügelte diese Illusion, und jedes Geräusch kündigte eine weitere Woge biestiger Agonie an. Was immer im Begriff war, ihn niederzuringen, breitete sich von unten herauf aus, züngelte wie Flammen an seinem Rückgrat, den Rippen und Armen. Seine Glieder verdrehten sich, bis Mansfield glaubte, er sterbe aufgrund des Schocks, in den ihn die Qual versetzte.
    Er war noch nicht tot, so sehr er es wünschte, auch wenn derlei Sinnen von Egoismus zeugte. Die Kinder harrten seiner Genesung, doch wäre er wieder bei Stimme gewesen, hätte er sie zum Verlassen des Hauses angehalten. Sie sollten Brent Prior und allem, was ihnen der Ort bedeutete, den Rücken kehren. Leider widerstrebte ihnen dies wohl, und ihr Glaube daran, er werde wieder wohlauf sein, mochte sie gegen seinen Willen handeln lassen. Sie blieben gewiss hier, denn solange er nicht starb, wähnten sie sich gebunden.
    Vielleicht ist es überhaupt nicht der Tod , dachte er dann und war verblüfft, da eine stumm geglaubte Stimme in ihm laut wurde, sondern ein Erwachen.
    Es mochte zutreffen, doch in welchem Dasein würde er erwachen?
    Er kniff die Augen zusammen, da der Nebel draußen vorbeirollte, sodass die Sonne wieder Einzug erhielt. Zweimal blinzelte er und atmete röchelnd aus, als sich unsichtbare Klauen an seinen Lungen zu schaffen machten.
    Die Pein brach sich erneut Bahn.
    Erst biss er die Zähne zusammen und zischte, dann ruckte er herum, da ihn der Krampf übermannte. Die Sehnen in seinem Hals spannten sich unter der Haut, und der ganze Körper wurde steif. Er warf den Kopf zurück und presste ihn fest auf das Kissen, während sein Blut wie Lava kochte.
    Er knurrte und krümmte die Finger, klammerte sich an die Laken. Fest schloss er die Augen, da blendete ihn blutrotes Feuerwerk, und er öffnete sie wieder.
    Denk an Kate an Neil an alles irgendetwas wen auch immer …
    Staubpartikel tänzelten im einfallenden Licht. Er fokussierte sie, bis Tränen sein Sichtfeld verschleierten.
    Bitte …
    Er blinzelte, bevor sie flossen, und schaute nach oben, wo er bereits zuvor bemerkt hatte, wie sich Schatten verdichteten.
    Endlich ließ der Schmerz nach.
    Danke, Gott.
    Die geballten Schatten über ihm lösten sich wieder auf.
    Mansfield hielt inne.
    An der Decke schwebte eine tote Frau.

9

    Jesus, Maria und die Gemeinschaft der Heiligen … Campbell musste gegen den Reiz ankämpfen, sich zu bekreuzigen. Bis auf das Pochen der Stiefel des Fremden war es vollkommen still im Lokal. Der Doktor wusste, dass er ihn anglotzte und den Neuankömmling somit nicht freundlich willkommen hieß, konnte die Augen jedoch nicht abwenden.
    Aussatz . Ihn schauderte vor Ekel. Eine Art von Hautkrebs.
    Der Fremde machte einen selbstbewussten Eindruck, was der Arzt allerdings als gestellt abtun wollte; die Haltung sollte das Mitleid abwenden, das er offensichtlich erregte. Auf dem dritten Stuhl rechts von Campbell ließ er sich nieder, bestellte ein Bier und warf Münzen auf die Theke.
    Die Bauern vertieften sich wieder in ihr Gelage, verhaltener aber als zuvor. Die Lampen flackerten, ließen wirre Schatten über den Fußboden zittern.
    Schließlich gelang es dem Doktor, von dem Mann abzulassen. Eine Weile betrachtete er nun Sarah, die seltsam unbeeindruckt blieb und den Gast bediente. Dann schaute er in sein Glas und legte die Stirn in Falten. Der erdige, faulige Geruch war stärker geworden, durchwirkt von einer stechenden Note brennenden Laubes. Es stank

Weitere Kostenlose Bücher