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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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so arg, dass man meinte, direkt mit dem Gesicht in den Schmutz gedrückt zu werden. Campbell suchte nach Ablenkung, um nicht wieder auf den kranken Mann schauen zu müssen, also klopfte er mit den Fingernägeln auf das Holz und dachte an die rotzfreche, kleine Hündin Kate Mansfield, womit er gewissermaßen eine Flamme an den Kienspan seines Zornes hielt. Dies bedrückte ihn, also erkor er diesen Drink zu seinem letzten – zumindest an diesem Ort. Zu Hause wartete eine angebrochene Flasche auf ihn, kein stinkender Aussätziger und keine Frau, die ihm das Herz brach, indem sie sich aufführte, als sei er ein Quälgeist von vielen, die ihr das Leben schwer machten. Wie er nun aber das Glas hob, spürte er den Blick des Fremden, also drehte er sich um und erwiderte ihn.
    »Kenne ich Sie?« Da er ihn nun unverhohlen anschauen konnte, nutzte Campbell die Gelegenheit und betrachtete ihn eingehender. Sein Kopf war mit dreckig zerschlissenen Verbänden umwickelt, die nur seine Augen – zwei kleine, dunkle Löcher – sowie aufgesprungene Lippen in mattem Rosa unbedeckt ließen. Diese waren zu einem permanenten Grinsen verhärtet, wahrscheinlich wegen der Narben ringsum. Büschel dunklen Haares hingen heraus, wo sich der Mull gelockert hatte, und die vereinzelt sichtbare Haut glänzte vor Nässe. Nur der Stoff schien zu verhindern, dass sie sich abschälte. Er trug einen langen, fleckigen Mantel, dessen Knöpfe fehlten, und die Hände am Ende der zerlumpten Ärmel waren ungewöhnlich breit und von der Beschaffenheit eines Kiesbettes, da sie sich an zu vielen Stellen wölbten, als hätte er sich die Finger zahllose Male gebrochen, und die Knochen seien nicht richtig zusammengewachsen. Die Glieder selbst waren lang und dürr, seine Nägel angerissen und verkrustet.
    »Weiß ich nicht«, erwiderte der Fremde. Eine markant lebhafte Stimme aus einem verheerend aussehenden Mund …
    »Nun, ich bin Doktor Campbell.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, und wie heißen Sie?«
    »Stephen.«
    Sarah kehrte mit seinem Getränk zurück und strich das Geld von der Theke ein, ohne die beiden eines Blickes zu würdigen. Campbell konnte nicht widerstehen, heimlich den Duft einzuatmen, den sie im Vorbeigehen hinterließ. Rasch wurde ihm bewusst, dass Stephens Blick immer noch auf ihm ruhte, und als er rot wurde, wies er sich für seine Unaufmerksamkeit zurecht. Schließlich lächelte er verlegen und nippte an seinem Drink.
    »Stephen also. Sie wohnen nicht hier.«
    Gleichmütiges Zucken. »Früher einmal.«
    »Wirklich? Sollte ich Sie dann doch kennen?«
    »Ich bezweifle es.«
    Campbell zog eine Augenbraue hoch. »Ich praktiziere seit gut zwanzig Jahren in diesem Dorf. Ihre Familie müsste mir also ein Begriff sein. Wie lautet Ihr Nachname noch einmal?«
    »Hab ihn nicht genannt.« Stephen besah sein Pint und probierte schließlich. Dabei spannten sich seine Lippen und offenbarten trockene, rote Furchen, deren Anblick Campbell zum Wegschauen zwang.
    »Weshalb sind Sie zurückgekommen?«
    Stephen stellte das Glas hin und wischte sich langsam die Lippen ab, wobei der Doktor unfreiwillig zusammenzuckte. Als der Mann wieder aufschaute, strahlten seine Augen ein wenig wie Edelsteine auf einem Kohlehaufen. »Um jemanden wiederzusehen«, gab er an.
    »Oh. Darf ich fragen, um wen es geht?«
    »Sie dürfen.« Stephen mochte wie ein Brandopfer aussehen, doch dass er sich amüsierte, war nicht zu übersehen. »Bloß müssen Sie ziemlich lange auf eine Antwort warten.«
    Campbell suchte seinerseits nach einer, fand aber keine. Er wartete kurz und bemerkte dabei, dass ihm der Alkohol einstweilen zusetzte. Nüchtern hätte er den Mann in eine Unterhaltung verwickelt, bloß hatte er das Zeug im Moment bitter nötig. Wie die Leute über ihre Weiber schwatzten und der Wind durch die Ritzen in der Tür pfiff, während Sarah ihn nicht einmal mit dem Hintern anschaute, sehnte er sich nach Gesellschaft, doch selbst der Gedanke daran war schal geworden. Er glaubte fest daran, dass es Unglücklichen besser ging, wenn sie sich austauschten, weshalb er nicht eben wählerisch war, was seine Gesprächspartner anging, selbst wenn es sich um halb verweste Fremde handelte.
    Nach einem langen Schluck Whiskey hielt er sein Glas hoch, um Sarah zu zeigen, er wolle einen weiteren. Dann widmete er sich wieder dem Bandagierten.
    »Ich wollte nicht vorwitzig sein«, entschuldigte er sich. »Unbekannte erregen an Orten, in denen es so eintönig wie in Brent Prior zugeht, Neugier. Daher

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