Herr der Nacht
gelebt hatte, hatte dennoch keinen Beschützer gegen ihre Hexereien.
Es war Asrharns Werk. Wer, außer Asrharn, könnte es tun?
Der Prinz der Dämonen hatte von Anfang an die Wahrheit gesprochen. Was ein Dämon begehrte und verlor, das würde er vernichten. Es war für ihn ebenso natürlich wie für einen Sterblichen, die Bettücher des Kranken nach dem Fieber zu verbrennen oder die Toten zu begraben.
Zuerst war er in Verlegenheit gewesen, dieser Beherrscher der Finsternis, wie er es anstellen sollte. In den Tagen, als sie Gefährten waren, hatte er den jungen Mann gegen alle Waffen und Gefahren der Erde immun gemacht. Dann erinnerte sich Asrharn an die eine Sache, die er nicht hatte tun können.
Kurz darauf, als der Jüngling sich zur Küste begab, gestaltete Asrharn aus Rauch und Träumen das magische Blumen-Turm-Schiff. Es war ein Geister-Ding, aber wie die Fata-Morgana, die Menschen in der Wüste flüchtig erscheint, und die ebenso wirklich zu sein scheint wie der Sand ringsumher. Asrharn war von seinem Spielzeug sehr angetan. Er bewunderte seine Schöpfung eine lange Weile, und am längsten schaute er sich die Phantom-Frau an, die er geschaffen hatte, darin zu wohnen und Siveschs Herz und Seele einzufangen. Er selbst sogar, der Prinz, empfand eine halb amüsierte Verwunderung über die Schönheit, die er geschaffen hatte. Er sandte sie hinaus aufs Meer. Er selbst kreiste in der Gestalt einer schwarzen Möwe hoch über der Küste und sah zu, wie Sivesch von dem Zauber ergriffen wurde.
Drei Nächte und drei Tage ließ er den Jüngling leiden an seiner Verzweiflung und seiner Sehnsucht. In der vierten Nacht, etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang, gab Asrharn sich die Form eines Fischers, beugte sich über Sivesch, der im Schlafe lag, und sang ihm auf Dämonen-Weise leis ins Ohr.
Sivesch richtete sich auf. Ihm schien, als ob eine schmeichelnde, melodiöse Stimme ihn geweckt habe – er dachte, das Silberschiff wäre gekommen. Als er aber auf den Füßen stand, konnte er das Schiff weder sehen noch hören; nur ein alter, grauhaariger Fischer saß am Strand und flickte sein Netz.
»Hast du mich gerufen?« fragte Sivesch, denn es gab etwas an dem Fischersmann, das ihn merkwürdig anzog und zum Sprechen drängte.
»Ich nicht«, antwortete der Mann, »darin läge kein Gewinn.«
Aber seine Stimme war sonderbar, schien nicht zu ihm zu gehören. Sie war von besonderer Beschaffenheit wie auch die glänzenden und unglaublich intelligenten Augen, mit denen er nun Sivesch musterte. Der junge Mann fühlte sich durch seine Anwesenheit getröstet; er wußte nicht, warum. Er fühlte den Drang, sich bei dem Fischer von seinem Kummer zu befreien. Er war jedoch zu scheu; er hatte sich niemals an menschliche Männer und Frauen gewöhnt.
»Guter Fang, heute?« murmelte er daher.
»Nein, schlechter«, sagte der Mann. »Die Fische sind verängstigt und bleiben unten. Ich will dir von einem Wunder erzählen, wenn du mir zuhörst. Es gibt ein großes Silberschiff, das des Nachts das Meer heimsucht, ich habe es mit eigenen Augen vorbeifahren sehen. Ein Mädchen sitzt in einem Turm in der Mitte des Schiffs. Sie wartet auf einen Geliebten, von dem sie in einer Prophezeiung gehört hat, und ihr Fuß darf kein Land betreten, bis er sie zu eigen genommen hat. Die Prophezeiung sagt, daß sein Haar rot sein wird wie Bernstein und daß er gewisse Zauber der Unterwelt kennen wird, die ein Herrscher der Finsternis ihn gelehrt hat.«
Der junge Mann wurde kreidebleich und starrte auf die leeren Wellen. »So sage mir doch«, flüsterte er, »wenn du die Prophezeiung kennst, wie wird dieser Geliebte das Mädchen auf dem Schiff erreichen?«
»Ei nun«, sagte der Fischer, »die Geschichte geht so, daß er eine Dämonenstute haben soll, die über Wasser laufen kann, und deshalb wird er übers Meer zu ihr reiten.«
Sivesch schlug die Hände vors Gesicht. Der Fischer erhob sich, legte seinen Arm um seine Schultern und fragte freundlich, was ihm fehle. Und bei der Berührung des alten Mannes, die ihn erstaunlicherweise ebenso zu durchrieseln schien wie die Stimme und Augen es getan hatten, fühlte Sivesch wieder den unwiderstehlichen Drang, sein Elend zu bekennen.
»Ich bin derjenige, von der die Prophezeiung sprach«, stotterte er, »vom Schicksal bestimmt, das Mädchen auf dem Schiff zu lieben. Ich habe sie schon gesehen und liebe sie mehr als mein Leben. Ich habe auch in der Unterwelt gelebt und dort einigen Zauber gelernt und besaß solch
Weitere Kostenlose Bücher