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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Büro.«
    »Es ist da drüben zu Ihrer Linken.«
    Sie wandte sich in die angegebene Richtung und ging mit leicht vorgestreckter Hand. Als sie die Wand erreichte, tastete sie sie rasch ab, bis sie auf einen Türknopf stieß. Sie klopfte an die Tür und wartete.
    »Ja?« Die Tür ging auf.
    »Sie brauchen einen Arzt?«
    »Sind Sie einer?«
    »Das stimmt.«
    »Rasch! Hier entlang!«
    Sie folgte dem Geräusch der Schritte vor ihr, die in einem Gang hallten. Dann hörte sie den Mann sieben Stufen hinaufsteigen und folgte ihm. Sie gelangten in eine Garderobe.
    »Da ist er.«
    Sie folgte der Stimme.
    »Was ist geschehen?« fragte sie und streckte eine Hand aus.
    Sie berührte den Körper eines Mannes. Sie hörte ein gurgelndes Rasseln und atemloses Hüsteln.
    »Ein Bühnenarbeiter«, sagte der Mann. »Ich glaube, er erstickt an einem Stück Taffy. Er kaut das Zeug andauernd. Es scheint etwas in seinem Hals zu stecken, aber ich komme nicht dazu.«
    »Haben Sie die Rettungszentrale verständigt?«
    »Ja. Aber sehen Sie ihn sich an – er ist bereits blau! Ich weiß nicht, ob sie rechtzeitig kommen.«
    Sie ließ das Handgelenk los und beugte ihm den Kopf in den Nacken. Dann tastete sie den Hals ab.
    »Ja, hier befindet sich ein Fremdkörper. Er steckt zu tief unten, als daß ich ihn erreichen könnte. Besorgen Sie rasch ein kurzes, scharfes Messer – ein steriles!«
    »Jawohl, sofort!«
    Er ließ sie allein.
    Sie fühlte den Puls an der Halsschlagader. Sie legte die Hände auf den schwer arbeitenden Brustkorb. Sie schob den Kopf noch weiter in den Nacken und fuhr ihm wieder in den Hals.
    Eine Minute verging, und eine zweite begann.
    Da ertönte das Geräusch eilender Schritte.
    »Hier ... Wir haben die Klinge mit Alkohol gewaschen ...«
    Sie nahm das Messer in die Hand. In der Ferne hörte man die Sirene eines Rettungswagens. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie es rechtzeitig schaffen würden. Daher untersuchte sie die Klinge mit den Fingerspitzen. Dann tastete sie über den Hals des Mannes.
    Sie wandte sich halb dem Mann zu, den sie neben sich spürte.
    »Ich halte es für besser, wenn Sie nicht zusehen«, sagte sie. »Ich werde eine Not-Tracheotomie durchführen, und das ist kein schöner Anblick.«
    »Okay, ich warte draußen.«
    Schritte entfernten sich.
    Sie machte einen Schnitt.
    Ein Seufzer ertönte. Luft drang hörbar in die Lungen. Es wurde feucht ... ein blubberndes Geräusch.
    Sie bewegte den Kopf. Als die Rettung am Bühneneingang hielt, waren ihre Hände wieder ruhig, weil sie wußte, daß der Mann am Leben bleiben würde.
    »... Shallot«, stellte sie sich dem Notarzt vor. »Eileen Shallot vom Psychiatrischen Institut.«
    »Ich habe von Ihnen gehört. Sind Sie nicht ...«
    »Ja, aber es ist leichter, Menschen zu lesen als Blindenschrift.«
    »Ich verstehe. Wir können Sie also im Institut erreichen?«
    »Ja.«
    »Ich danke Ihnen, Doktor. Danke«, sagte der Direktor.
    Sie begab sich an ihren Platz zurück, um den Rest der Vorstellung zu verfolgen.
    Nach dem letzten Vorhang blieb sie sitzen, bis das Theater leer war.
    Sie saß da und fühlte immer noch die Bühne vor sich.
    Dies war der Ort, an dem alles Geschehen imitiert werden konnte; aber hinter allen Handlungen gab es eigentlich nur zwei Dinge: Glück und Traurigkeit oder Leben und Tod – die beiden Dinge, die den menschlichen Zustand beschreiben. Es war der Ort der Helden und der Nicht-Helden. Es war der Ort, den sie liebte; und dort sah sie den einzigen Mann, dessen Gesicht sie kannte.
    Sie kannte alle seine Rollen – er, der ohne Publikum nicht existieren konnte. Er war das Leben.
    Er war der Schöpfer.
    Er war der Erzeuger und der Beweger.
    Er war größer als die Helden.
    Der Geist vermag viele Dinge zu umfassen. Er lernt. Aber er kann sich nicht lehren, nicht zu denken.
    Qualitativ gesehen, bleiben die Emotionen während des ganzen Lebens gleich. Die Stimuli, auf die sie reagieren, sind quantitativ veränderlich, aber die Gefühle sind stets die gleichen.
    Deswegen wird das Theater immer überleben. Es ist überkulturell. Es enthält den Nordpol und den Südpol der Stimmungen des Menschen; die Emotionen ordnen sich wie Eisenfeilspäne in seinem Feld.
    Der Geist kann sich nicht lehren, nicht zu denken, Gefühle jedoch folgen vorherbestimmten Mustern.
    Er war ihr Theater ...
    Er war die Pole der Welt.
    Er war voll von Handlungen.
    Es war nicht die Imitation von Handlungen, sondern es waren die Handlungen selbst.
    Sie wußte, er war ein sehr fähiger

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