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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem Kap Sable, das am westlichen Ende Neuschottlands vorspringt.
    Von Providence, von Boston, Portsmouth und Portland aus hatten Dampfschaluppen schon vielmals versucht, sich der beweglichen Masse zu nähern und auf sie Jagd zu machen; niemals war es aber gelungen, sie einzuholen. Jede Verfolgung erwies sich sofort als nutzlos. In wenigen Minuten hatte sich die merkwürdige Masse den Blicken entzogen. Selbstverständlich machten sich über die Natur dieser Erscheinungen bald die verschiedensten Ansichten geltend. Bisher beruhte aber keine der geäußerten Vermutungen auf sicherem Grunde, und auch die Seeleute waren sich darüber ebenso unklar wie alle anderen.
    Anfänglich glaubten Seeleute und Fischer, es handle sich hier um ein Seesäugetier aus dem Geschlechte der Cetaceer (Waltiere). Bekanntlich tauchen diese Tiere mit einer gewissen Regelmäßigkeit, kommen dann nach mehrminütigem Verweilen unter Wasser wieder an die Oberfläche und werfen durch ihre Spritzlöcher mit Luftblasen gemengte Wassersäulen in die Höhe. Bis jetzt hatte aber jenes Tier – wenn es ein solches war – noch niemals »sondiert«, wie die Walfänger sich ausdrücken, noch niemals sich durch Untertauchen zu schützen gesucht und noch niemals hatte man etwas von geräuschvollem Atmen gehört.
    Gehörte es danach also nicht der Klasse der Seesäugetiere an, so mußte man es wohl für ein unbekanntes Ungeheuer ansehen, das vielleicht den Tiefen der Ozeane entstammte, wie die, die man aus den sagenhaften Schilderungen früherer Zeiten kennt. Sollte man es also den Kalmars, den Kraken, den Leviathans oder den berüchtigten Seeschlangen zuzählen, vor deren Angriffen man sich zu hüten allen Grund hatte?
    Seitdem dieses Ungeheuer, mochte es sein, welches es wollte, in den Küstengewässern Neuenglands erschienen war, wagten sich jedenfalls die kleineren Fahrzeuge und die Fischerboote nicht mehr weit aufs Meer hinaus. Sobald sein Auftauchen ruchbar wurde, beeilten sie sich, den nächsten Hafen zu erreichen. Das verlangte unbedingt die gewöhnlichste Klugheit, denn für den Fall, daß jenes Tier von angriffslustigem Charakter war, erschien es doch besser, sich einem Überfalle durch dieses nicht erst auszusetzen.
    Die Segelschiffe der langen Fahrt und die großen Dampfer hatten von dem Ungeheuer, diesem Walfisch oder anderen Meerbewohner, freilich nichts zu fürchten. Deren Mannschaften hatten es auch mehrmals in der Entfernung von einigen Meilen gesehen. Sobald sie ihm aber näher zu kommen suchten, entfloh es so eilig, daß es unmöglich war, es zu erreichen. Eines Tages war sogar ein kleiner Kreuzer des Staates von Boston ausgelaufen, nicht um die unbekannte Masse zu verfolgen, sondern um ihr einige Geschosse nachzusenden. Binnen wenigen Augenblicken hatte sich das – vermutliche – Tier jedoch über die Tragweite der Geschütze hinaus entfernt, und auch dieser Versuch erwies sich also als vergeblich. Übrigens schien es mehr und mehr, daß es gar nicht die Absicht habe, die Fischerboote zu überfallen.
    Jetzt unterbrach ich mich im Lesen und sagte, an Herrn Ward gewendet: »Alles in allem hat man sich über das Ungeheuer bisher ja noch nicht zu beklagen gehabt. Den großen Schiffen weicht es aus und die kleinen läßt es ungeschoren. Da kann doch unter den Strandbewohnern keine so besondere Aufregung herrschen.
    – Und doch ist das der Fall, Strock; dieser Bericht liefert ja den Beweis dafür.
    – So scheint es, Herr Ward; das Tier scheint aber keineswegs gefährlich zu sein. Übrigens wird ja eins oder das andere eintreffen: entweder verschwindet es eines Tages aus den genannten Gegenden, oder es wird schließlich eingefangen und paradiert dann im naturhistorischen Museum Washingtons.
    – Und wenn es doch kein Seeungeheuer wäre… warf Herr Ward ein.
    – Was sollte es denn sonst sein? antwortete ich, überrascht durch diesen Einwand.
    – Lesen Sie nur weiter!« sagte Herr Ward.
    Das tat ich denn auch und unterrichtete mich über die zweite Hälfte der Mitteilung, in der mein Chef einzelne Stellen mit Rotstift unterstrichen hatte.
    Eine Zeitlang hatte niemand in Zweifel gezogen, daß hier ein Seeungeheuer sein Wesen triebe, und wenn man dieses hartnäckig verfolgte, mußte es am Ende doch gelingen, die Küstengewässer von ihm zu befreien. Bald kam es aber zu einem Umschlag der bisher verbreiteten Anschauung. Einzelne, etwas nachdenklichere Leute fragten sich, ob es, statt eines tierischen Wesens, nicht vielleicht ein mit Maschinen

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