Herr der Welt
weder Dampf noch Rauch oder einen merkbaren Geruch.
Den in seinem Automobil ganz eingeschlossenen Führer konnte man überhaupt nicht sehen; er blieb jetzt also noch ebenso unbekannt wie damals, als er sich zuerst auf den Straßen der Union hin bewegte.
Durch die telephonischen Stationen war das Eintreffen dieses unerwarteten Outsiders nach Milwaukee gemeldet worden. Das Aufsehen, das diese Nachricht erregte, kann man sich wohl leicht ausmalen. Anfangs tauchte dabei die Frage auf, ob man nicht quer über die Landstraße eine Sperrwand errichten sollte, woran das »Projektil« in tausend Stücke zersprengt würde. Ja, hatte man denn noch Zeit dazu? Konnte der Chauffeur nicht jeden Augenblick angesaust kommen? Er war schließlich ja gezwungen, seine Gangart
nolens volens
zu mäßigen, da die Rennstrecke am Michigansee endigte, über den er ja nicht weiter fahren konnte, wenn sein Wagen sich nicht zu einem schwimmenden Fahrzeug verwandelte.
Das war der Gedankengang, der die vor Milwaukee angesammelten Zuschauer beherrschte, die aber vorsichtig genug waren, sich genügend weit von der Straße zurückzuziehen, um nicht unversehens überfahren zu werden.
Wie in Prairie-du-Chien und in Madison, erging man sich auch hier in den tollsten Hypothesen. Denen, die nicht zugestehen wollten, daß der geheimnisvolle Chauffeur der leibhaftige Teufel wäre, widerstrebte es doch nicht, in ihm irgend ein phantastisches Ungeheuer aus den Höhlen der Apokalypse zu sehen.
Jetzt erwarteten die entsetzten Neugierigen schon nicht mehr von Minute zu Minute, sondern von Sekunde zu Sekunde das Auftauchen des fürchterlichen Automobils.
Es war noch nicht ganz elf Uhr, als ein fernes Rollen von der Straße her hörbar wurde, auf der der Staub in mächtigen Wolken aufwirbelte. Ein kreischendes Pfeifen zerriß die Luft, und man sah das Publikum dem Ungeheuer, das seine Schnelligkeit nicht verminderte, genügend Raum geben. Und doch war der Michigansee von dem Standpunkte der Zuschauer kaum noch eine halbe Meile (800 Meter) entfernt, und bei der rasenden Eile mußte der Kraftwagen voraussichtlich ins Wasser stürzen. Hätte der Mechaniker darin etwa die Herrschaft über seinen Mechanismus verloren?
Bald konnte hierüber kein Zweifel mehr bestehen. Mit der Geschwindigkeit des Blitzes langte das Gefährt in Milwaukee an. Sollte es nun nach Durchquerung der Stadt von den Fluten des Michigansees verschlungen werden?
Jedenfalls konnte man nach seinem Verschwinden an einer Biegung der Landstraße keine Spur mehr von ihm entdecken.
Fünftes Kapitel.
In Sicht des Ufers von Neuengland.
Zur Zeit, wo diese Vorkommnisse von den Zeitungen Amerikas berichtet wurden, war ich seit einem Monate zurückgekehrt.
Gleich nach der Heimkehr beeilte ich mich, mich bei meinem Chef zu melden. Ich konnte ihn jedoch nicht sehen. Gewisse Familienangelegenheiten hielten ihn für mehrere Wochen abwesend. Ohne Zweifel kannte Herr Ward aber den Mißerfolg meiner Mission. Verschiedene Blätter Nordkarolinas hatten die Einzelheiten jener Besteigung des Great-Eyry in Gesellschaft mit dem Bürgermeister von Morganton sehr zutreffend geschildert.
Man wird mir die schmerzliche Enttäuschung gewiß nachfühlen, die ich – abgesehen von meiner unbefriedigten Neugier – über jenen nutzlosen Versuch empfand. Tatsächlich konnte ich mich aber nicht mit dem Gedanken befreunden, daß sich das später nicht anders gestalten würde… Was?… Ich sollte nicht hinter die Geheimnisse des Great-Eyry kommen?… Nein, und wenn ich zehn-, wenn ich zwanzigmal, selbst auf die Gefahr hin, dabei umzukommen, dazu ausziehen müßte!
Offenbar überstieg es nicht die menschlichen Kräfte, sich einen Zutritt ins Innere jenes Felsennestes zu erzwingen. Ein Gerüst bis zum oberen Rande jener Mauern herzustellen oder die dicke Wand des Steinwalles mit einem Tunnel zu durchbrechen, das konnte keine Unmöglichkeit sein.
Anfangs tauchte die Frage auf… (S. 54.)
Unsere Ingenieure wagen sich ja alle Tage an weit schwierigere Aufgaben. Bezüglich des Great-Eyry hieß es freilich auch mit den Unkosten rechnen, die hier kaum mit dem dadurch zu gewinnenden Nutzen im Einklange stehen würden. Sie beliefen sich jedenfalls auf mehrere tausend Dollars… ja, und wozu hätte diese kostspielige Arbeit zu guter Letzt gedient? Befand sich an jener Stelle der Blauen Berge ein Vulkan, so hätte man ihn doch nicht auslöschen oder zustopfen können, und wenn ein Ausbruch die Gegend bedrohte, konnte man ihn
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