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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Welten nahm daran wunderbares Interesse (S. 70.)
     
    – Morganton? wiederholte Grad. Ist’s nicht in dessen Nähe, wo die bösen Geister ihr Höllenfeuer angezündet haben?
    – Jawohl, Grad.
    – Na, ich hoffe doch, daß Sie nie wieder dahin gehen werden.
    – Warum denn nicht?
    – Weil Sie schließlich in dem Hexenkessel des Great-Eyry bleiben würden, und das wünschte ich jedenfalls nicht.
    – Beruhigen Sie sich nur, Grad. Erst wollen wir einmal sehen, um was es sich in diesem Briefe handelt.«
    Damit erbrach ich die Siegel des aus sehr festem und dichtem Papier bestehenden Umschlags. Die Siegel aus rotem Brieflack zeigten eine Art Wappenschild mit drei Sternen darin.
    Ich zog nun den Brief aus dem Umschlage. Er bestand nur aus einem einfachen, zweimal zusammengefalteten Blatte, das auch nur auf einer Seite beschrieben war.
    Zuerst sah ich nach der Unterschrift.
    Eine solche fand sich aber überhaupt nicht… nur drei Buchstaben unter der letzten Zeile.
    »Der Brief kommt also nicht vom Bürgermeister von Morganton, sagte ich.
    – Ja, von wem denn dann?« fragte Grad, die als Frau und obendrein als bejahrte Frau doppelt neugierig war.
    Während ich die als Unterschrift dienenden Buchstaben näher betrachtete, murmelte ich für mich:
    »Ich kenne doch weder in Morganton noch anderswo jemand, auf den sie passen könnten.«
    Die Schrift des Briefes war eine ziemlich kräftige, Haar-und Grundstriche darin waren scharf unterschieden, und das Ganze umfaßte gegen zwanzig Zeilen.
    Ich gebe hier eine Abschrift des Briefes, dessen Original ich sorgsam aufgehoben habe, schon weil es, zu meinem größten Erstaunen, vom Great-Eyry datiert war:
     
    Great-Eyry, Blaue Berge,
    Nordkarolina.
    13. Juni.
     
    »Herrn Strock, Oberinspektor der Polizei.
    Washington, Long-Street, 34.
    Mein Herr!
     
    Sie haben sich dem Auftrage unterzogen, in den Great-Eyry einzudringen. Dazu waren Sie am 28. April mit dem Bürgermeister von Morganton und zwei Führern aufgebrochen.
    Damals sind Sie bis an die obere Umwallung des Berges hinaufgestiegen und um die Felswand, die Ihnen zum Erklimmen zu hoch war, herumgegangen.
    Sie haben eine Öffnung im Gestein gesucht, doch keine solche gefunden.
    Lassen Sie sich gesagt sein: In den Great-Eyry dringt niemand ein, doch der, dem es gelänge, kommt daraus nicht wieder heraus.
    Bemühen Sie sich nicht, Ihren Versuch zu wiederholen, der Ihnen das zweite Mal nicht besser wie das erste Mal gelingen, für Sie aber von ernsten Folgen begleitet sein würde.
    Behalten Sie diese Warnung im Gedächtnis, sonst könnte Ihnen ein Unglück zustoßen.
     
    H. d. W.«
Siebentes Kapitel.
Nun gar drei!
    Ich gestehe, daß ich bei der Durchlesung dieses Briefes zuerst höchst erstaunt war und unwillkürlich manches Oho! und Ah! vernehmen ließ. Meine alte Haushälterin starrte mich an, sie wußte offenbar nicht, was sie wohl darüber denken sollte.
    »Haben Sie denn eine unangenehme Nachricht erhalten?«
    Auf diese Frage Grads – ich hatte ja vor ihr kaum irgendwelche Geheimnisse – antwortete ich einfach damit, daß ich ihr den Brief von der ersten bis zur letzten Zeile vorlas.
    Grad hörte voll Spannung zu und sah mich mit wirklicher Unruhe an.
    »Das ist ohne Zweifel ein Possenspieler, sagte ich, die Achseln zuckend.
    – Wenns nicht der Teufel selbst ist, da das Ding aus dem Lande des Teufels kommt!« meinte Grad, die nun einmal immer von diabolischen Eingriffen träumte.
    Als ich allein war, durchflog ich noch einmal das so unerwartete Schreiben, kam aber nach längerer Überlegung nur auf den Gedanken zurück, daß es von einem herrühren müßte, der sich einen schlechten Witz erlaubte. Ein Irrtum war kaum möglich. Mein Abenteuer war ja bekannt geworden. Alle Zeitungen hatten unsere Mission nach Nordkarolina ebenso eingehend besprochen, wie den Versuch, den Great-Eyry aus aller Welt bekannten Gründen zu ersteigen. Da hatte nun ein Witzbold, wie es solche überall, selbst in Amerika, gibt, zur Feder gegriffen und um sich über uns lustig zu machen, diesen warnenden Brief geschrieben.
    Nahm man an, daß der in Frage stehende Horst einer Verbrecherrotte als Zuflucht diente, gewissenlosen Burschen, die befürchten mußten, daß die Polizei ihren Schlupfwinkel entdeckte, so würde doch keiner von diesen so unklug gewesen sein, ihn durch einen, wenn auch anonymen Brief selbst zu verraten. Solchen mußte doch weit mehr daran gelegen sein, daß dieser Zufluchtsort unbekannt bliebe. Das Schreiben klang ja fast wie

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