Herr der Welt
auf den Ruf »Herein!« halb außer Atem in das Zimmer.
Herr Ward hatte gerade den von den Zeitungen getreu wiedergegebenen Brief vor sich liegen, doch nicht das Faksimile, sondern die im Briefkasten des Polizeiamtes vorgefundene Urschrift selbst.
»Nun, haben Sie etwas Neues zu melden, Strock?
– Urteilen Sie selbst, Herr Direktor!«
Ich hatte den Brief mit der Unterschrift in Anfangsbuchstaben aus der Tasche gezogen.
Herr Ward nahm ihn in die Hand, warf einen Blick auf dessen Vorderseite und sagte, bevor er ihn las:
»Was soll es mit diesem Briefe?
– Es ist das Schreiben eines gewissen H. d. W., wie Sie selbst sehen können.
– Wo war er auf die Post gegeben worden?
– Auf dem Postamte von Morganton in Nordkarolina.
– Wann haben Sie ihn erhalten?
– Am vergangenen 13. Juni… es mag vor einem Monate gewesen sein.
– Und was haben Sie zuerst davon gehalten?
– Daß er von einem geschrieben wäre, der sich einen unpassenden Scherz erlauben wollte.
– Heute aber… Strock?…
– Heute denke ich darüber dasselbe, was Sie, Herr Direktor, jedenfalls denken werden, wenn Sie von dem Inhalte Kenntnis genommen haben.«
Mein Chef nahm den Brief auch und durchlas ihn bis zur letzten Zeile.
»Die Unterschrift besteht nur aus drei Buchstaben, sagte er.
– Jawohl, Herr Ward; es sind die Anfangsbuchstaben der drei Wörter ›Herr der Welt‹, wie auf dem Faksimile.
– Hier ist das Original, antwortete Herr Ward aufstehend.
– Es liegt auf der Hand, setzte ich hinzu, daß die beiden Briefe von derselben Person herrühren.
– Von einundderselben, Strock…
– Sie sehen, Herr Direktor, was mir für den Fall angedroht ist, daß ich einen erneuten Versuch machte, in den Great-Eyry einzudringen.
– Ja, man bedroht Sie mit dem Tode!… Doch sagen Sie, Strock, dieser Brief war Ihnen schon vor einem Monate zugegangen; warum haben Sie mir ihn nicht eher gezeigt?
– Weil ich ihm keinerlei Bedeutung zumaß. Jetzt freilich, wo der zweite von der ›Epouvante‹ eingetroffen ist, muß ich ihn wohl für ernst nehmen.
– Das meine ich auch, Strock. Die Sache erscheint mir sogar als sehr ernst, und ich frage mich, ob wir nicht verpflichtet wären, dieser merkwürdigen Persönlichkeit auf die Spur zu kommen.
– Ganz meine Ansicht, Herr Direktor.
– Welche Beziehung kann aber zwischen der ›Epouvante‹ und dem Great-Eyry bestehen.
– Das weiß ich freilich nicht… ja ich habe keine Ahnung…
– Jedenfalls gibt es dafür nur eine einzige Erklärung, fuhr Herr Ward fort, eine Erklärung aber, die kaum annehmbar, um nicht zu sagen, unmöglich ist.
– Und welche?…
– Die, daß gerade der Great-Eyry die Örtlichkeit wäre, die sich der Erfinder für seine Zwecke erwählt und wo er sein Material aufgespeichert hätte.
– Sapperment! rief ich unwillkürlich. Wie sollte er aber da hinein-und von da herauskommen? Nach allem, was ich dort gesehen habe, Herr Ward, ist Ihre Erklärung unannehmbar.
– Wenigstens, Strock, wenn etwa nicht…
– Wenn nicht? wiederholte ich.
– Wenn der Apparat dieses ›Herrn der Welt‹ nicht auch Flügel hat, die es ihm ermöglichen, im Great-Eyry sozusagen zu nisten!«
Dem Gedanken, daß die »Epouvante« gar auch befähigt wäre… (S. 107.)
Dem Gedanken, daß die »Epouvante« gar auch befähigt wäre, es im Fliegen mit den Geiern und Adlern aufzunehmen, begegnete ich mit der größten Ungläubigkeit, und jedenfalls beharrte auch mein Vorgesetzter nicht auf dieser kühnen Vermutung.
Er hatte inzwischen die beiden Briefe wieder vorgenommen, verglich sie von neuem, prüfte die Schriftzeichen mit einer kleinen Lupe und erklärte sie dann für vollkommen gleichartig. Sie rührten nicht nur von derselben Hand her, sondern waren auch mit derselben Feder geschrieben. Und dann diese Übereinstimmung zwischen dem »H. d. W.« des einen und dem »H. d. W.« des anderen Briefes!
Nach einigen Augenblicken des Nachsinnens sagte Herr Ward zu mir:
»Ich behalte Ihren Brief hier, lieber Strock, und ich meine bestimmt, daß Sie ausersehen sein werden, in dieser merkwürdigen Angelegenheit, richtiger, in diesen zwei Angelegenheiten, eine wichtige Rolle zu spielen. Welches Band sie vereinigt, kann ich nicht erraten, bestimmt existiert aber ein solches. Sie haben mit der ersten amtlich zu tun gehabt, es wäre also nicht wunderbar, daß Sie auch mit der Erforschung der zweiten betraut würden.
– Das ist mein sehnlichster Wunsch, Herr Direktor, der… nun ja,
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