Herr der Welt
einige Stunden in Toledo bleiben? fragte ich weiter.
– Entschuldigen Sie… nein, Herr Strock. Vor dem Bahnhof erwartet uns ein Break mit zwei tüchtigen Pferden, und wir müssen sofort abfahren, um vor dem Abend an Ort und Stelle zu sein.
– Wir begleiten Sie, antwortete ich und gab meinen zwei Polizisten ein Zeichen, uns zu folgen. Haben wir einen weiten Weg vor uns?
– So gegen zwanzig Meilen.
– Und die Stelle heißt?…
– Die Bucht von Black-Rock.
Obgleich wir nun alle Ursache hatten, diese Bucht möglichst bald zu erreichen, mußten wir zunächst doch ein Hotel aufsuchen, um da unser Gepäck in Verwahrung zu geben. Das machte mit Hilfe Arthur Wells in einer Stadt, die hundertdreißigtausend Einwohner hat, keine besondere Schwierigkeit.
Der Wagen brachte uns nach dem White-Hotel, und nach einem schnell eingenommenen Frühstück waren wir schon um zehn Uhr unterwegs.
Der Break enthielt, außer dem für den Kutscher, vier Plätze. In den Kasten unter den Sitzen untergebrachter Proviant war für mehrere Tage vorhanden. An der völlig öden Bucht von Black-Rock, die weder von Landleuten noch von Fischern besucht wurde, wäre rein gar nichts zu erhalten gewesen. Dort gab es kein Gasthaus, wo man hätte essen, kein Zimmer, wo man hätte schlafen können. Wir befanden uns in der warmen Jahreszeit, im Monat Juli, wo die Sonne tüchtig einheizt. Von der Temperatur war also nichts zu fürchten, wenn wir auch ein-oder zweimal unter freiem Himmel nächtigen müßten.
Hatte unser Vorhaben jedoch den gewünschten Erfolg, so konnte es sich dabei nur um einige Stunden handeln. Entweder wurde der Kapitän der »Epouvante« überrumpelt, ehe er Gelegenheit fand zu entweichen, oder er entfloh vorher, und dann mußten wir auf jede Hoffnung, ihn abzufangen, verzichten.
Der einige vierzig Jahre zählende Arthur Wells war einer der besten Leute der Bundespolizei. Kräftig, kühn, unternehmend und kaltblütig wie nur irgendeiner, hatte er von seiner Brauchbarkeit schon bei mancher Gelegenheit, selbst unter den bedrohlichsten Umständen, die schlagendsten Beweise geliefert und seinen Vorgesetzten, die große Stücke auf ihn hielten, ein unbegrenztes Vertrauen eingeflößt. Eben jetzt hielt er sich eigentlich wegen einer ganz anderen Angelegenheit in Toledo auf, und nur der Zufall hatte ihn auf die Fährte der »Epouvante« geführt.
Unter der Peitsche des Kutschers rollte der Break schnell längs der Küste des Eriesees dahin und wandte sich dessen Südwestspitze zu. Die große Wasserfläche breitet sich zwischen dem kanadischen Gebiete im Norden und den Staaten Ohio, Pennsylvanien und New York im Süden aus. Wenn ich hier die geographische Lage dieses Sees hervorhebe und auf seine Tiefe, seine Ausdehnung, auf die Zuflüsse, die ihn speisen, sowie auf die Kanäle hinweise, durch die er seinen Wasserüberschuß abgibt, so wird sich das im weiteren Verlauf dieser Erzählung als gerechtfertigt erweisen.
Die Fläche des Eriesees mißt nicht weniger als achtundvierzigtausendsiebenhundertachtundsiebzig Quadratkilometer und dabei liegt sie fast sechshundert Fuß über dem Meeresniveau. Im Nordwesten steht er mit dem Huron-, dem Saint-Clairsee und dem Detroitflusse in Verbindung, die ihm alle ihr Wasser zusenden, und außerdem nimmt er mehrere minder bedeutende Zuflüsse auf, wie vom Rocky, vom Guyahoga und vom Black. Seinen Abfluß hat er im Nordosten nach dem Ontariosee durch den Niagarastrom mit den weltberühmten Fällen. Die größte Tiefe, die im Eriesee mit der Sonde nachgewiesen ist, beträgt hundertfünfunddreißig Fuß (etwas über 41 m). Das zeigt, wie beträchtlich seine Wassermasse ist. Hier hat man vor allem das Gebiet der prächtigen Seen zu suchen, die zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika einander folgen.
In dieser Gegend, die etwa unter dem vierzigsten Breitengrade liegt, herrscht ein recht kaltes Winterklima, da die von keinem Hindernisse abgelenkten Winde aus den arktischen Gebieten oft mit unerhörter Gewalt darüber hinfegen. Infolgedessen ist auch der Eriesee jedes Jahr vom November bis Mitte April gewöhnlich fest zugefroren. 1
Die bedeutendsten Städte, die sich am Ufer dieses großen Sees erheben, sind: Buffalo, das zum Staate New York gehört, und Toledo, das erste im Osten, das zweite im Westen, und ferner Cleveland und Sandusky, zum Staate Ohio gehörig, beide im Süden. Außerdem liegen noch kleinere Flecken und einfache Dörfer da und dort verstreut am Ufer. Der Umfang des
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