Herr der Welt
Dunkelheit erlaubt, gehen wir vorsichtig weiter hinunter bis zu den Felsen, die den Hintergrund der Bucht umschließen.«
Dem Ratschlage Wells mußten wir natürlich Folge leisten. Das Gespann am Zügel geführt, meine Begleiter und ich zu Fuß, drangen wir unter die Bäume ein.
Strandkiefern, immergrüne Eichen und Zypressen standen hier dicht und regellos nebeneinander. Den Boden bedeckte ein üppiger Teppich von verschiedenen Gräsern nebst abgefallenen Blättern. Die hohen Baumkronen waren so dicht belaubt, daß die Strahlen der dem Untergange nahen Sonne sie nicht zu durchdringen vermochten. Von Wegen, selbst von Wildpfaden, sah man keine Spur. Dennoch erreichte der Break – ohne einige derbe Stöße war es freilich nicht abgegangen – nach zehn Minuten die erwähnte Waldblöße.
Umrahmt von hohen Bäumen, bildete diese etwa ein Oval und war von saftigen Gräsern bedeckt. Hier war es noch hell; vor Verlauf einer Stunde konnte es schwerlich dunkel werden. An Zeit gebrach es uns also nicht, eine Art Lager herzurichten und von der anstrengenden Fahrt auf ziemlich holperiger Landstraße auszuruhen.
Natürlich verlangte es uns sehr, an der Bucht zu sein und uns zu überzeugen, ob die »Epouvante« noch dalag. Die Klugheit gebot aber zu warten. Ein wenig Geduld… dann würde die Dunkelheit gestatten, uns dieser zu nähern, ohne die Gefahr, gesehen zu werden. Das war die Ansicht Wells’, und es erschien mir ratsam, dieser Rechnung zu tragen.
Die abgezäumten und auf dem Weideplatz frei umherlaufenden Pferde sollten während unserer Abwesenheit unter der Obhut des Wagenführers bleiben. Jetzt wurden die Sitzkasten des Breaks geöffnet, woraus John Hart und Nab Walker die mitgebrachten Lebensmittel hervorholten, die sie am Fuße einer herrlichen Zypresse niederlegten, welche mich lebhaft an den Waldbestand bei Morganton und Pleasant-Garden erinnerte. Wir hatten Hunger, und an Durst fehlte es uns natürlich auch nicht. An Speise und Trank war jedoch kein Mangel. Nachher wurden die Pfeifen angezündet, und so warteten wir den Zeitpunkt ab, wo wir aufbrechen könnten.
Ringsumher im Walde herrschte tiefes Schweigen. Mit dem Herannahen des Abends legte sich auch der Wind mehr und mehr, und kaum zitterten noch die Blätter an den Spitzen der obersten Zweige. Nach dem Untergange der Sonne verdunkelte sich allmählich der Himmel und die Dämmerung wich der zunehmenden Finsternis.
Ich sah nach meiner Uhr; sie zeigte auf halb neun.
»Es ist nun wohl Zeit, Wells…
– Ich bin bereit, Herr Strock.
– Nun denn, vorwärts!«
Dem Kutscher wurde noch besonders empfohlen, während unseres Fernbleibens die Pferde sich nicht vom Weideplatze verirren zu lassen.
Wells schritt voraus. Ich hielt mich dicht hinter ihm, und mir folgten John Hart und Nab Walker. In der Finsternis wäre es uns schwer geworden, den richtigen Weg einzuhalten, wenn Wells nicht als Führer gedient hätte.
Endlich sind wir am andern Rande des Gehölzes. Vor uns liegt der Strand bis zur Bucht von Black-Rock.
Alles ist still, alles verlassen. Wir können uns sorglos weiter vorwagen. Ist die »Epouvante« noch da, so muß sie an der Seeseite der Felswand ankern.
Ist sie aber auch wirklich noch da? Das ist die einzige, die wichtigste Frage, und ich gestehe, daß mir jetzt, wo die aufregende Angelegenheit ihre Lösung finden sollte, das Herz recht stürmisch klopfte.
Wells gibt ein Zeichen, weiterzugehen. Der Sand des Strandes knirscht unter unsern Füßen. Nur zweihundert Schritte, für die wenigen Minuten genügen, und wir stehen an einer der Gesteinstücken, die zum Seeufer führen.
Nichts… nichts!… Die Stelle, an der Wells die »Epouvante« vor achtundvierzig Stunden gesehen hatte, ist leer! Der »Herr der Welt« befindet sich nicht mehr in der Bucht von Black-Rock.
Fußnoten
1 Am 12. April 1867 befand sich der Verfasser in Buffalo, als der Eriesee in seiner ganzen Ausdehnung eine Eisdecke trug.
Zwölftes Kapitel.
Die Bucht von Black-Rock.
Wie sehr sich die menschliche Natur von Illusionen beeinflussen läßt, weiß ja wohl jedermann. Zweifellos lag doch die Möglichkeit vor, daß der so eifrig gesuchte Apparat nicht mehr an derselben Stelle wäre… immer vorausgesetzt, daß es dieser gewesen war, den Wells am Nachmittag des 27. hatte auftauchen sehen. War seine Einrichtung zur Fortbewegung auf dreierlei Weise von einer Beschädigung getroffen und er verhindert worden, auf dem Wasser-oder dem Landwege das gewohnte Versteck aufzusuchen und
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