Herr der Welt
sich die schönsten Zy-
pressen mit schlankem, geradem Stamm, der unten etwas
— 37 —
verdickt ist und ganz nah dem Erdboden kleinere, kugel-
förmige Knorren, eine Art Knie aufweist, woraus man im
Land Bienenkörbe herstellt. In dem durch das blaßgrüne
Laub streichenden Wind wiegten sich ihre langen grauen
Fasern, jene »spanischen Bärte«, die von den Zweigen des
unteren Geästs bis zur Erde herabreichen.
Eine reiche Tierwelt belebte die Waldungen der Gegend.
Vor unserem Gespann flüchteten sich größere und kleinere
Arten von Feldmäusen und flatterten farbenprächtige Pa-
pageien kreischend auf. Dann wieder entwichen vor uns in
schnellen Sprüngen zahlreiche Beutelratten, die ihre Jun-
gen in der Bauchtasche trugen, und in großen Völkern flo-
gen allerlei Vögel zwischen den Kronen von Bananen, Fä-
cherpalmen und von Orangenbäumen umher, deren Triebe
nur auf den ersten warmen Frühlingshauch warteten, sich
sogleich zu öffnen. Hier und da erschienen Dickichte von
Rhododendrons, die so verwirrt durcheinandergewachsen
waren, daß kein Wanderer hätte hindurchdringen können.
Am Abend trafen wir in Pleasant Garden ein und fan-
den hier für die Nacht ein recht gutes Unterkommen. Der
folgende Tag mußte nun genügen, die Farm von Wildon am
Fuß der Bergkette zu erreichen.
Pleasant Garden ist ein Flecken oder Weiler von gerin-
gem Umfang. Der Ortsvorsteher nahm uns hier mit freund-
licher Zuvorkommenheit auf. Eine heitere Tafelrunde ver-
einigte uns in einem größeren Zimmer der hübschen, von
Buchen überschatteten Wohnstätte, die unser Wirt besaß.
Natürlich drehte sich das Gespräch beim Essen hauptsäch-
— 38 —
— 39 —
lich um unser Vorhaben, die Verhältnisse im Innern des
Great Eyrie auszukundschaften.
»Ja, ja, Sie tun recht daran«, sagte unser Wirt. »Solange
man noch nicht weiß, was da oben vorgeht oder sich ver-
birgt, werden unsere Landsleute keine ruhige Stunde mehr
haben.«
»Seit dem letzten Aufflackern der Flammen aus dem
Great Eyrie«, fragte ich, »hat sich aber doch wohl nichts be-
sonderes mehr ereignet?«
»Nicht das geringste, Mr. Strock. Von Pleasant Garden
aus kann man den oberen Rand des Berges bis zu dem ihn
überragenden Black Dome deutlich erkennen. Bisher ist
von dorther kein weiteres Geräusch gehört, kein Feuer-
schein mehr beobachtet worden. Und wenn sich ein Regi-
ment von Teufeln da oben eingenistet hätte . . . jetzt hat es
den Anschein, als ob sie ihre Höllenküche vollendet hätten
und einstweilen nach einem anderen Zufluchtsort in den
Alleghenies ausgezogen wären.«
»Na, ich hoffe doch«, rief Mr. Smith, »daß sie sich nicht
aus dem Staub gemacht haben werden, ohne erkennbare
Spuren – vielleicht ein paar Schwanzendchen oder Hörner-
spitzen – zurückgelassen zu haben!«
Am nächsten Tag, dem 29., stand unser Wagen beim
Morgengrauen schon zur Weiterfahrt bereit. Mr. Smith
nahm seinen und ich meinen Platz wieder ein. Vom Kut-
scher angetrieben, trabten die Pferde schnellen Schritts
dahin. Am Ende dieses 2. Reisetags sollten wir also in der
— 40 —
Farm von Wildon, zwischen den ersten Ausläufern der Blue
Ridge Mountains haltmachen.
Die Umgebung hier zeigte noch völlig den früher ge-
schilderten Charakter. Auch hier wechselten Waldungen
und Sümpfe – die zweiten nur kleiner als die vor Pleasant
Garden, weil sich der Erdboden mit der Annäherung an
den Gebirgsstock allmählich hob – in gleicher Regelmäßig-
keit miteinander ab. Das Land war auch weniger bevölkert.
Nur selten sah man winzige Dörfer, die unter mächtigem
Buchengeäst verborgen lagen, oder vereinzelte Gehöfte, die
von zahlreichen Rios aus den Bergschluchten, lauter Zu-
flüssen des Catawba, bewässert wurden. Die Tier- und die
Pflanzenwelt waren die gleichen wie am Tag vorher, auch
gab es hier genug Wild, jeden Jäger vollauf zu befriedigen.
»Ich wäre wahrlich versucht, die Flinte in die Hand zu
nehmen und nach Nisko zu pfeifen«, sagte Mr. Smith. »Das
ist ja das erste Mal, daß ich hier vorüberkomme, ohne die
Rebhühner und die Hasen mit Schrot und Blei zu begrü-
ßen! . . . Die braven Tiere werden mich gar nicht wieder-
erkennen! . . . Doch nein, solange es uns nicht an Proviant
fehlt, haben wir ja etwas anderes im Kopf . . . die Jagd auf
Geheimnisse!«
»Und möchten wir von der«, fügte ich hinzu, »nicht als
Schneider zurückkommen!«
Im Laufe des Vormittags kamen wir über eine
Weitere Kostenlose Bücher