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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich die schönsten Zy-
    pressen mit schlankem, geradem Stamm, der unten etwas
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    verdickt ist und ganz nah dem Erdboden kleinere, kugel-
    förmige Knorren, eine Art Knie aufweist, woraus man im
    Land Bienenkörbe herstellt. In dem durch das blaßgrüne
    Laub streichenden Wind wiegten sich ihre langen grauen
    Fasern, jene »spanischen Bärte«, die von den Zweigen des
    unteren Geästs bis zur Erde herabreichen.
    Eine reiche Tierwelt belebte die Waldungen der Gegend.
    Vor unserem Gespann flüchteten sich größere und kleinere
    Arten von Feldmäusen und flatterten farbenprächtige Pa-
    pageien kreischend auf. Dann wieder entwichen vor uns in
    schnellen Sprüngen zahlreiche Beutelratten, die ihre Jun-
    gen in der Bauchtasche trugen, und in großen Völkern flo-
    gen allerlei Vögel zwischen den Kronen von Bananen, Fä-
    cherpalmen und von Orangenbäumen umher, deren Triebe
    nur auf den ersten warmen Frühlingshauch warteten, sich
    sogleich zu öffnen. Hier und da erschienen Dickichte von
    Rhododendrons, die so verwirrt durcheinandergewachsen
    waren, daß kein Wanderer hätte hindurchdringen können.
    Am Abend trafen wir in Pleasant Garden ein und fan-
    den hier für die Nacht ein recht gutes Unterkommen. Der
    folgende Tag mußte nun genügen, die Farm von Wildon am
    Fuß der Bergkette zu erreichen.
    Pleasant Garden ist ein Flecken oder Weiler von gerin-
    gem Umfang. Der Ortsvorsteher nahm uns hier mit freund-
    licher Zuvorkommenheit auf. Eine heitere Tafelrunde ver-
    einigte uns in einem größeren Zimmer der hübschen, von
    Buchen überschatteten Wohnstätte, die unser Wirt besaß.
    Natürlich drehte sich das Gespräch beim Essen hauptsäch-

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    lich um unser Vorhaben, die Verhältnisse im Innern des
    Great Eyrie auszukundschaften.
    »Ja, ja, Sie tun recht daran«, sagte unser Wirt. »Solange
    man noch nicht weiß, was da oben vorgeht oder sich ver-
    birgt, werden unsere Landsleute keine ruhige Stunde mehr
    haben.«
    »Seit dem letzten Aufflackern der Flammen aus dem
    Great Eyrie«, fragte ich, »hat sich aber doch wohl nichts be-
    sonderes mehr ereignet?«
    »Nicht das geringste, Mr. Strock. Von Pleasant Garden
    aus kann man den oberen Rand des Berges bis zu dem ihn
    überragenden Black Dome deutlich erkennen. Bisher ist
    von dorther kein weiteres Geräusch gehört, kein Feuer-
    schein mehr beobachtet worden. Und wenn sich ein Regi-
    ment von Teufeln da oben eingenistet hätte . . . jetzt hat es
    den Anschein, als ob sie ihre Höllenküche vollendet hätten
    und einstweilen nach einem anderen Zufluchtsort in den
    Alleghenies ausgezogen wären.«
    »Na, ich hoffe doch«, rief Mr. Smith, »daß sie sich nicht
    aus dem Staub gemacht haben werden, ohne erkennbare
    Spuren – vielleicht ein paar Schwanzendchen oder Hörner-
    spitzen – zurückgelassen zu haben!«
    Am nächsten Tag, dem 29., stand unser Wagen beim
    Morgengrauen schon zur Weiterfahrt bereit. Mr. Smith
    nahm seinen und ich meinen Platz wieder ein. Vom Kut-
    scher angetrieben, trabten die Pferde schnellen Schritts
    dahin. Am Ende dieses 2. Reisetags sollten wir also in der
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    Farm von Wildon, zwischen den ersten Ausläufern der Blue
    Ridge Mountains haltmachen.
    Die Umgebung hier zeigte noch völlig den früher ge-
    schilderten Charakter. Auch hier wechselten Waldungen
    und Sümpfe – die zweiten nur kleiner als die vor Pleasant
    Garden, weil sich der Erdboden mit der Annäherung an
    den Gebirgsstock allmählich hob – in gleicher Regelmäßig-
    keit miteinander ab. Das Land war auch weniger bevölkert.
    Nur selten sah man winzige Dörfer, die unter mächtigem
    Buchengeäst verborgen lagen, oder vereinzelte Gehöfte, die
    von zahlreichen Rios aus den Bergschluchten, lauter Zu-
    flüssen des Catawba, bewässert wurden. Die Tier- und die
    Pflanzenwelt waren die gleichen wie am Tag vorher, auch
    gab es hier genug Wild, jeden Jäger vollauf zu befriedigen.
    »Ich wäre wahrlich versucht, die Flinte in die Hand zu
    nehmen und nach Nisko zu pfeifen«, sagte Mr. Smith. »Das
    ist ja das erste Mal, daß ich hier vorüberkomme, ohne die
    Rebhühner und die Hasen mit Schrot und Blei zu begrü-
    ßen! . . . Die braven Tiere werden mich gar nicht wieder-
    erkennen! . . . Doch nein, solange es uns nicht an Proviant
    fehlt, haben wir ja etwas anderes im Kopf . . . die Jagd auf
    Geheimnisse!«
    »Und möchten wir von der«, fügte ich hinzu, »nicht als
    Schneider zurückkommen!«
    Im Laufe des Vormittags kamen wir über eine

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