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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und
    eine kleine Mahlzeit zur Stärkung würden mir jetzt nicht
    unangenehm sein.«
    »So ein Raststündchen?« fragte ich.
    »Ja; nachdem Beine und Lunge ihre Schuldigkeit getan
    haben, möge auch der Magen einmal arbeiten!«
    Dagegen erhob niemand Einspruch: wir mußten daran
    denken, die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen. Einiger-
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    maßen beunruhigte uns freilich der Anblick der Berglehne
    bis zum Fuß des eigentlichen Great Eyrie. Über uns erhob
    sich drohend eine der völlig kahlen Partien, die man im
    Land »Blads« zu nennen pflegt. Zwischen ihrem zerklüfte-
    ten Gestein war kein Weg zu erkennen. Das machte auch
    unseren Führern Sorge, wie ich aus den Worten schloß, die
    Harry Horn an seinen Kameraden richtete.
    »Das wird nicht gerade leicht werden!« sagte er.
    »Vielleicht überhaupt unmöglich«, antwortete James
    Bruck.
    Diese Äußerungen machten mir einen wirklichen Ver-
    druß. Kam ich zurück, ohne den Great Eyrie erstiegen zu
    haben, dann bedeutete das den gänzlichen Mißerfolg mei-
    ner Mission, ganz abgesehen davon, daß dann auch meine
    Neugier unbefriedigt blieb, und wenn ich mich dann bei
    Mr. Ward wieder meldete, spielte ich gewiß eine recht trau-
    rige Rolle. –
    Jetzt wurden also die Taschen und die Rucksäcke geöff-
    net; wir stärkten uns mit kaltem Fleisch nebst Brot, spra-
    chen der Flasche aber nur wenig zu. Nach dem frugalen
    Mahl, das kaum eine halbe Stunde gedauert hatte, war Mr.
    Smith der erste, der sich erhob und zum Weitergehen an-
    schickte.
    James Bruck nahm dabei wieder die Spitze ein, und wir
    hatten ihm nur zu folgen und darauf zu achten, daß wir
    nicht zurückblieben.
    Nur langsam ging es vorwärts. Unsere Führer verhehlten
    gar nicht ihre Verlegenheit, und wiederholt mußte Harry
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    Horn noch eine Strecke vorausgehen, um auszukundschaf-
    ten, welche Richtung wir einzuschlagen hatten.
    Dabei blieb er wohl 20 Minuten lang aus. Endlich zu-
    rückgekehrt, wies er nach Nordosten hin und marschierte
    dann unverdrossen weiter. In der bezeichneten Richtung
    erhob sich der Black Dome etwa in der Entfernung von
    3 bis 4 Meilen. Wie bekannt, wäre es nutzlos gewesen, die-
    sen zu ersteigen, da man von seinem Gipfel selbst mit einem
    starken Fernrohr nichts vom Innern des Great Eyrie sehen
    konnte.
    Der Aufstieg ging nun beschwerlich und langsam von-
    statten, vor allem über die glatten Abhänge hin, auf denen
    einzelne Gesträuche standen oder dürftige Grasbüschel den
    Boden stellenweise bedeckten. Wir waren kaum 200 Fuß
    höher hinaufgekommen, da blieb James Bruck plötzlich vor
    einer Art tiefer Furche stehen, die sich an dieser Stelle durch
    den Erdboden hinzog. Da und dort zeigten sich herausge-
    rissene und abgebrochene Wurzeln, zertrümmerte Zweige
    und zu Pulver zermalmte Steinbrocken, so, als ob eine La-
    wine vom Bergabhang hinuntergerollt wäre.
    »Hier wird der große Felsblock vorübergedonnert sein,
    der sich seinerzeit vom Great Eyrie abgelöst hat«, bemerkte
    James Bruck.
    »Kein Zweifel«, antwortete Elias Smith, »und dann
    meine ich, ist es das beste, wir folgen dem Weg, den er sich
    bei dem Hinabrollen gebrochen hat.«
    Das geschah denn auch und erwies sich als richtig. Der
    Fuß fand hier sicheren Halt in den Vertiefungen, die der
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    Felsblock auf seinem Weg hinterlassen hatte. Der Aufstieg
    erfolgte nun unter besseren Bedingungen und fast in ge-
    rader Linie, so daß wir um halb 12 den oberen Rand des
    Blad erreicht hatten. Nur 100 Schritt vor uns, doch reichlich
    100 Fuß hoch, starrten hier die Felsmauern empor, die den
    Great Eyrie vollständig einrahmen.
    Von dieser Seite gesehen, bot die Einfassung des Ber-
    ges einen höchst fantastischen Anblick, mit kegelförmigen
    Spitzen, dünnen Nadeln und unter anderem einem Felsen,
    der das Bild eines riesigen, im Auffliegen begriffenen Ad-
    lers vortäuschte. Von Osten her schien die Bergwand völlig
    unersteigbar zu sein.
    »Wir wollen kurze Zeit rasten«, schlug Mr. Smith jetzt
    vor, »und dann zusehen, ob es möglich ist, den Great Eyrie
    zu umkreisen.«
    »Jedenfalls«, bemerkte Harry Horn, »hat sich vor einiger
    Zeit jener Felsblock an dieser Stelle abgelöst, und dennoch
    sieht man keine Bresche in dem Felskranz.«
    Horn hatte sicherlich recht; der Felssturz mußte von die-
    ser Seite des Blad aus erfolgt sein.
    Nach einer Rast von 10 Minuten erhoben sich die beiden
    Führer, und auf ziemlich schlüpfrigem und steilem Weg er-
    reichten wir bald den Rand des

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