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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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furchtba-
    res Geschoß vorüberflog. Pack doch einmal einer eine Ka-
    nonenkugel, wenn sie aus der Rohrmündung herausbricht!
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    Ich wiederhole: Auf die Natur des Motors fehlte es an
    jedem Hinweis. Gewiß war nur und wurde wenigstens
    von allen Leuten bestätigt, daß dieser keinen Rauch, kei-
    nen Dampf, ebenso aber auch keinen Geruch nach Petro-
    leum oder einem anderen Mineralöl hinter sich zurückließ.
    Man kam daher zu dem Schluß, daß es sich um einen durch
    Elektrizität angetriebenen Apparat handeln müsse, dessen
    nach unbekanntem Muster hergestellte Akkumulatoren ei-
    nen fast unerschöpflichen Strom abzugeben schienen.
    Die äußerst erregte öffentliche Meinung wollte in dem
    geheimnisvollen Automobil freilich noch manches andere
    sehen: Die einen hielten es für das übernatürliche Ge-
    fährt eines bösen Geistes, eines höllischen Chauffeurs, der
    es führte, eines Kobolds aus der anderen Welt, eines Un-
    geheuers, das aus irgendeiner teratologischen Menagerie
    entsprungen wäre, die andern, die gleich alles zusammen-
    faßten, behaupteten, es sei der Teufel in eigener Person,
    der Beelzebub, der Astaroth, der jede menschliche Einmi-
    schung zuschanden machte, da ihm eine unsichtbare und
    unbegrenzte satanische Macht zur Verfügung stünde.
    Doch auch der Satan selbst hatte nicht das Recht, auf
    den Landstraßen der Vereinigten Staaten ohne besondere
    Erlaubnis und vorschriftsmäßige Wagennummer mit so
    unerhörter Schnelligkeit umherzurasen. Sicherlich hätte
    ihm auch keine einzige Ortsbehörde »200 Kilometer in der
    Stunde« zugestanden, und im Interesse der öffentlichen Si-
    cherheit wurde es immer unabweisbarer, über Mittel nach-

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    zudenken, die tolle Laune dieses maskierten Renners ent-
    schieden zu zügeln.
    Übrigens war es nicht Pennsylvania allein, das der Un-
    bekannte für seine exzentrischen Sportübungen als Renn-
    platz benützte. Bald wurde das Auftauchen des gefährlichen
    Kraftfahrzeugs auch in den polizeilichen Meldungen ande-
    rer Bundesstaaten erwähnt, so aus Kentucky und der Um-
    gebung von Frankfort, aus Ohio in der von Kolumbus, aus
    Tennessee in der Umgebung von Nashville, aus Missouri
    rings um Jefferson und endlich aus Illinois von den ver-
    schiedenen Straßen her, die in Chicago zusammenlaufen.
    Jetzt, wo so vielseitig Alarm geschlagen war, drängte sich
    den Behörden die Pflicht auf, für wirksame Maßnahmen
    zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu sorgen. Gegen-
    über einem Gefährt, das sich mit so großer Geschwindig-
    keit fortbewegte, erschien es am einfachsten, auf den Stra-
    ßen tüchtige Sperrwände zu errichten, woran der Wagen
    früher oder später anprallen und zerschellen müßte.
    »Pah!« riefen die Ungläubigen, »die würde der Tollkopf
    zu umgehen wissen!«
    »Und nötigenfalls spränge er über ein solches Hindernis
    hinweg«, meinten andere.
    Noch mehr: »Ist es der Teufel selbst, so hat er in seiner
    Eigenschaft als früherer Engel auch Flügel, es würde ihm
    also gar nicht schwierig sein, durch die Luft zu fliegen!«
    Das war nun freilich Ammenmärchen, die keine ernste
    Beachtung verdienten. Wenn der Höllenfürst übrigens ein
    Paar Flügel hatte, warum versteifte er sich dann darauf, auf
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    dem Erdboden und auf die Gefahr hin, Passanten zu zer-
    malmen, hin und her zu jagen, statt sich frei zu erheben, wie
    ein geflügelter Bewohner der Lüfte?
    So hatte sich die Sachlage gestaltet, deren Fortdauer un-
    möglich geduldet werden konnte, und die Bundespolizei in
    Washington beschäftigte sich auch schon ernsthaft mit Er-
    wägungen, wie dem Unfug zu steuern wäre.
    Da trat in der letzten Maiwoche ein Ereignis dazwischen,
    das die Hoffnung erweckte, die Vereinigten Staaten würden
    in Zukunft von dem bisher unergreifbaren »Ungeheuer«
    befreit sein. Es gewann auch den Anschein, als ob die Alte
    Welt, nach der Heimsuchung der Neuen, von dem Besuch
    dieses ebenso gefährlichen wie unberechenbaren Automo-
    bilisten verschont bleiben würde.
    Zur genannten Zeit wurde durch die Zeitung der Union
    folgende Nachricht verbreitet, die das Publikum, wie immer
    in ähnlichen Fällen, mit den unglaublichsten Kommentaren
    begleitete:
    Der Automobilklub hatte ein Wettrennen vorbereitet,
    und zwar in Wisconsin auf einer der Landstraßen dieses
    Staates, dessen (Regierungs-)Hauptstadt Madison ist. Die
    betreffende Straße bildet eine vortreffliche Rennbahn von
    200 Meilen (etwa 320 km) Länge und erstreckt

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