Herr der zwei Welten
denken, den sie vor Jahren gesehen hatte. Der Highländer hatte der Film geheißen. Dieser Highländer war unsterblich, ohne jedoch ein Vampir zu sein. Aber er hatte geliebt und er hatte tiefes Leid erfahren, wenn seine Geliebten alterten und dann starben. Nein, sie wollte nicht, dass Eugeñio dieses Leid erfuhr!
Mein Gott, an was sie doch alles denken konnte, hier in der Dunkelheit der Höhle, Wache haltend bei einem … Untoten! Noch immer lag ihre rechte Hand fest auf seinen gefalteten Händen. Jetzt tastete sie doch nach der Taschenlampe, die sie zuvor ausgeschaltet neben sich gelegt hatte. Nun schaltete sie das Licht wieder ein. Sie stellte die Taschenlampe neben sich auf den Boden, sodass ihr Lichtkegel ihren Umkreis in ein schwaches Licht hüllte. Dann sah sie wieder auf den toten Mann. Sie lächelte. Zärtlich strich ihr Blick über sein Gesicht. Ja, sie würde einen Weg finden, der sie zusammen sein ließ. Es musste einfach solch einen Weg geben! Auch wenn niemand daran glaubte. Nicht einmal Gaston, der ja schließlich ein Gefährte für Eugeñio war. Dennoch, sie würden es gemeinsam schaffen! Sie würden das Unmögliche wahr werden lassen! Julie glaubte plötzlich ganz fest daran! Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und machte ihre Augen zu. Auf einmal war sie müde geworden. Sie atmete ruhig und fühlte sich nicht mehr allein. Doch da überfiel sie ein ganz anderer Gedanke!
Blitzartig fielen ihr die Leute ein, bei denen sie hier wohnte. Hatte ihre Liebe etwa den Tod über die Blauländer gebracht? Nein, schrie sie innerlich auf. Das durfte nicht sein! Sicher nicht!
Aber … Vampire brauchten nun mal Blut. Sonst würden sie selbst sterben. Richtig sterben! Julie versuchte diese Gedanken zum Schweigen zu bringen, doch sie ließen sich nicht mehr abstellen. Eugeñio liebte sie, da war Julie sich sicher und er würde sicher nicht ihr Blut trinken wollen. Er würde sie auch vor Gaston beschützen. Sie versuchte einen Blick auf den Franzosen zu werfen, doch der Lichtkegel ihrer Taschenlampe reichte nicht so weit. Er verlor sich, noch ehe er Gaston erreichte.
In Julie überschlugen sich die Gedanken. Was aber war mit den Anderen? Mit Liz Mary, Kai, Pieter und all den anderen? Mit TsiTsi, Dervit und den Kindern? Nein, das durfte nicht geschehen! Aber gab es denn noch eine Hoffnung für sie? Was nur sollte Julie nun tun? Sie konnte den Gedanken unmöglich ertragen, dass ihren Freunden etwas zustoßen könnte, nur weil sie hier war! Und doch … konnte sie es denn überhaupt verhindern? War es nicht schon zu spät? Zu spät, als die beiden Vampire in diese Welt kamen? Julie wollte ihre Ängste hinausschreien. Aber der Knoten in ihrem Hals war zu dick. Konnte sie etwas tun, um das zu verhindern? Es gab eine Möglichkeit - Julie kannte sie. Dennoch- nein, niemals könnte sie dem Mann, den sie liebte, etwas antun! Niemals!
Er hatte versprochen sie nach Hause zu bringen, und vermutlich waren sie gar nicht mehr so lange hier, dass sie sich wirklich Sorgen machen musste. Und außerdem mussten sie denn wirklich töten, um zu leben? Julie nahm sich vor, mit Eugeñio darüber zu reden. Er würde sie nicht belügen! Julie beruhigte sich wieder. Erst jetzt viel ihr auf, dass sie noch immer eng an ihn gekuschelt lag. Obwohl sie keinen Atem, keine Wärme spürte, spürte sie doch Geborgenheit. Sie kuschelte sich noch enger und schlief tatsächlich ein.
Die beiden Sonnen hatten gerade erst ihren Standort am Himmel aufgegeben, als der Vampir die Augen aufschlug. Erstaunt blickte er auf einen blonden Haarschopf. Julie! Ihr Kopf lag auf seiner Brust und ihre gleichmäßigen Atemzüge sagten ihm, dass sie schlief. Er wagte nicht sich zu bewegen. Er wollte sie nicht wecken. Wollte diesen Augenblick genießen! Das schier Unmögliche war wahr geworden! Ihre Liebe hatte die Nacht des Vampirs überdauert! Er war glücklich; so glücklich, dass er es kaum glauben konnte! Julie liebte ihn, selbst dann, wenn sein Geist nicht in der Welt der Lebenden weilte. Wie konnte das nur sein? Hatte sie denn gar keine Angst? Empfand sie keinen Ekel? Ihre Liebe schien wirklich stärker zu sein, als er zu hoffen gewagt hatte. Dennoch, obwohl er in diesem Moment nichts als maßloses Glück empfand, war seine Angst noch nicht bezwungen. Doch nun schloss er seine Augen, genoss ihren Duft. Zärtlich streichelte er ihr Haar. Noch verschlafen öffnete sie ihre Augen. Eugeñio konnte ihr Gesicht zwar nicht sehen, aber er spürte den Aufschlag ihrer
Weitere Kostenlose Bücher