Herr der zwei Welten
Lider. Immer noch nicht ganz munter, streckte sie sich, wandte sich ihm zu und … lächelte! In ihrem Lächeln lagen für ihn alle Wunder des Universums! Sein Glück drohte ihm sein Herz zu zersprengen. Hatte er jemals an ihrer Liebe gezweifelt? Ganz unerwartet spürte er noch etwas anderes! Er begehrte diese Frau! Er begehrte sie als Mann. Seine Hose war plötzlich prall und eng geworden. Aber das durfte nicht sein. Das, wovon er nun träumte, musste ein Traum bleiben. Diese eine Sache durfte keine Wirklichkeit werden! Er lenkte sich ab, indem er auf Gaston achtete, der, Eugeñio dankte dem Himmel, gerade erwachte. Katzengleich schwang er sich in die Senkrechte. In seiner Haltung lag Überraschung, dennoch spielte er den Charmeur.
Grinsend fragte er: „Na Lady, wie haben sie sich denn gefühlt, am heutigen Tag? War es denn interessant genug?“
Dennoch konnte er seine Tarnung nicht lange aufrechterhalten, denn sein Grinsen erstarb schneller als gedacht.
Das glaube ich nicht! Diese dumme Sterbliche will ihn noch immer. Sie muss pervers sein, oder verrückt. Vermutlich beides!
Gaston merkte nicht einmal, dass Eugeñio in seinen Gedanken las, wie in einem offenen Buch. Doch dann grinste er Eugeñio diabolisch an. Julie drehte ihren Kopf zur Seite. Sie wollte jetzt keinen der beiden ansehen. Julie bekam Angst. Eugeñio spürte ihre Reaktion und ließ den Franzosen denken, was er wollte! Stattdessen wandte er sich wieder ihr zu. Er streichelte zärtlich ihren Rücken.
„Schon gut, Schatz.“ sagte er und seine Stimme war voll von Zärtlichkeit. Julie hob ihren Kopf und wollte ihn küssen; es war ihr gleich, ob Gaston nun zuschaute oder nicht. Doch da hörte sie den Franzosen leise aufschreien. Nun wandte sie sich doch ihm zu. Was war los? Doch Gaston interessierte sich nicht mehr für sie. Er schien stattdessen angestrengt über etwas nachzudenken. Unvermittelt starrte er Eugeñio an.
„Fällt dir nichts auf? He? – Ich verspüre … keinen Hunger!“
Seine Stimme klang ernst, verwundert und ungläubig. Sogar Julie erkannte das. Sie sah erstaunt, wie er sich mit einer Hand über die Stirn fuhr. Es wirkte fahrig, beinahe menschlich. Auch Eugeñio wirkte plötzlich verspannt. Julie spürte seine Reaktion. Sie blickte ihn verblüfft an. Versuchte zu verstehen, weshalb beide plötzlich so anders waren.
„Was ist los?“ fragte sie.
Statt einer Antwort war nun Gaston aufgestanden und kam langsam direkt auf Julie zu. Es war geradezu unheimlich. Dann hob er seine Arme und streckte sie nach ihr aus. Julie bekam Angst! Gaston hatte plötzlich eine bedrohliche Haltung angenommen. Seine Lippen zuckten. Sie konnte das Weiß seiner Zähne blitzen sehen. Eiseskälte kroch ihr den Rücken hoch. Doch plötzlich stand Eugeñio zwischen ihnen.
„Wag dich nicht, sie zu berühren!“ donnerte er los. Seine Stimme hallte in der Höhle wieder, wie das bedrohliche Brummen eines Grizzlys. Gaston wich erschrocken zurück. Julie erkannte, dass er es jetzt war, der Angst hatte. Doch nur Sekunden später grinste er übers ganze Gesicht. Alle Bedrohlichkeit war von ihm gewichen und nun wirkte er fast wie ein Junge, der sich einen etwas derben Spaß erlaubt hatte. Julie verstand nun gar nichts mehr. Eugeñio bewegte sich nun auch nicht mehr. Da lachte der Franzose auf einmal schallend auf. Zwischen Angst und Neugier schielte Julie nun hinter Eugeñios Rücken hervor.
„Mann, ich hab euch doch nur necken wollen!“ rief der Franzose. Noch immer lachte er. „Ich habe wirklich keinen Durst! Kein bisschen. Entschuldige bitte, aber es ist ziemlich lange her, dass ich ohne diesen gottverdammten Durst aufgewacht bin. – Mann, ich kann es noch gar nicht glauben! – He du spanischer Hengst, fühlst du denn nicht auch, dass sich was verändert hat?“ Sekundenlang verharrte Eugeñio, dann drehte er sich um und riss Julie in seine Arme.
„Er hat recht! Ja, er hat wirklich recht!- Auch ich hatte sonst nur einen einzigen Gedanken, nur an …“
Er verschluckte die letzten Worte, aber sie wusste auch so, was er meinte. Blut.
Aufgeregt fuhr er fort, diesmal allerdings sehr leise. Die Worte waren nur für sie bestimmt: „Aber heute habe ich etwas ganz anderes gedacht.“
Dann drückte er sie noch fester an sich und küsste sie stürmisch, sodass Julie kaum noch Luft bekam. Aber dann ließ er sie abrupt wieder los. Es war ihm peinlich. Doch er wusste, dass Julie wusste, wovon er sprach. Sie hatte doch sicher gespürt, in welche Richtung
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