Herr der zwei Welten
Hatte er es nicht von Anfang an gewusst?! Das Haus gefiel ihr.
Das Haus war eher eine Villa mittlerer Größe. Sie war aus rotem Backstein gebaut und war umgeben von einem großen Garten, in dem es jetzt überall blühte. Der in prachtvollem Gelb blühende Goldregen stand in märchenhaften Gegensatz zu roten Weigelien und weißem Prunus. Pieter war froh, dass Steff kein Kleinkind mehr war, die fremde Blüten und Früchte in den Mund steckte. Sonst hätten sie diesen prachtvollen Goldregen entfernen müssen. Nun aber konnte sie diese mächtige Blütenpracht in vollen Zügen genießen. Pieter war sich ganz sicher, dass Liz ihr Herz ebenfalls diesem Anwesen schenken würde. Der Garten verströmte einen Duft, als stünde man in einem Blumenladen. Die Haustür ging auf und eine junge Frau mit langen, blonden Haaren und leuchtend blauen Augen trat lächelnd auf sie zu. Freundlich streckte sie ihnen ihre Hand entgegen.
„Mein Name ist Julie Neumann. Ich bin von Hendson & Torf. Hatten sie eine gute Fahrt? – Ich freue mich, sie alle kennenzulernen.- Es ist wirklich ein sehr schönes Haus, für das sich ihr Mann entschieden hat, Frau Priest.“
Liz blickte die junge Frau an. Es gefiel ihr nicht ganz, dass sie das Wort entschieden gewählt hatte, aber das Lächeln der jungen Frau war warm und herzlich.
Als Liz sich jetzt ihren Lieben zuwandte, bemerkte sie amüsiert, dass Kai total hingerissen war. Allerdings eher von der blonden Schönheit, als von etwas anderem. Dem Anwesen hatte er noch nicht allzu viele Blicke geschenkt. Daraufhin begutachtete auch Liz das Mädchen. Pieter, der das bemerkte, war es anzusehen, was er davon hielt, dass hier die Maklerin begutachtet wurde. Aber so war Liz nun mal! Bisher hatte ihr das auch noch niemand übel genommen.
Miss Neumann hatte wirklich eine bemerkenswerte Figur. Sie trug ein Kostüm in zartem Pastellton, dessen Rock knapp überm Knie endete. Ihre hochhackigen Pumps, Liz schätze auf einen 80-mm-Absatz, standen ihr ausgezeichnet und ließen ihre langen, schlanken Beine so richtig zur Geltung kommen. Liz gab es zu, ohne Neid zu empfinden, obwohl sie selber nie so hohe Schuhe trug. Doch nun wollte Liz sich endlich das Haus ansehen. Schließlich waren sie deshalb doch hier!
Miss Neumann hatte nicht zu viel versprochen. Das Haus war geräumig und sehr vorteilhaft gebaut. Kaum ein Quäntchen wurde hier verschenkt. Die Fenster waren so, wie Liz sie liebte: groß und ließen viel Blick auf die Sonne, den Himmel und den herrlichen Garten zu. Liz fühlte, wie sie sich immer mehr für dieses herrliche Haus begeisterte. Dann fiel ihr Blick auf ihren Mann, der sie aufmerksam zu mustern schien. So war es also! Dachte sie. Pieter hatte sich wohl wirklich schon längst entschieden. Nun gut, sicher hatte er recht. Er wartete nur noch auf ihre Zustimmung, obwohl er das natürlich niemals zugeben würde. Liz wusste das und genau das war einer der Gründe, weshalb sie Pieter so liebte.
„Darling!“ rief sie ihm jetzt lachend zu.
„Dieses Haus ist doch wie geschaffen für uns! Findest du nicht? Einfach wunderbar!“
Obwohl sie seine Antwort schon längst kannte, tat sie jetzt so, als müsse sie versuchen, ihn gerade zu diesem Haus zu überreden. Sie wusste, für ihren Mann war es einfach schöner, wenn sie diejenige war, die sich dieses Haus wünschte.
Pieter sah seine Frau freudig an. So war es immer. Ihre Freude war voll Temperament und das machte alles nur noch schöner. Er schlang seine Arme um ihre Taille und küsste sie, ob sie nun Zuschauer hatten oder nicht. Dann zog er sie weiter durchs Haus; sie sollte erst mal alles sehen.
Kai und Steff hatten bereits ihren eigenen Streifzug begonnen. In einem der hintersten Zimmer trafen sie auf einen Mann in blauer Arbeitsmontur, der auf dem Boden kniete. Offensichtlich war er gerade dabei, die letzten Kabel einzuziehen.
„Entschuldigung.“ sagte der Mann jetzt und stand hastig auf. „Ich wusste nicht, dass die Besichtigung schon heute sein sollte. Sonst wäre ich schon fertig gewesen.“
Dem Mann schien es peinlich zu sein, sie mit seiner Arbeit zu stören. Pieter grinste. In den USA wäre eine derartige Reaktion wohl kaum denkbar. Dort hätte man ihnen wohl ein knappes Hallo zugemurmelt und dann einfach weiter gemacht. Aber hier sah man die Sache wohl anders. Pieter hob beschwichtigend die Hände.
„Behalten sie doch Ruhe, lieber Mann! Sie stören uns doch nicht. Schließlich soll hier doch auch alles funktionieren. Ist doch
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