Herr der zwei Welten
wieder alles vorbei zu sein. Vielleicht sollten sie das Haus besser doch nicht kaufen?! Langsam wieder etwas ruhiger geworden, blickte Liz sich um. Ihre Augen begannen sich schlagartig zu weiten. Nein, das konnte sie nicht glauben! Bestimmt träumte sie das alles nur! Gleich würde sie erwachen, in dem bequemen Sitz des Cadillacs und die bayrische Landschaft würde an ihr vorbeiziehen. Pieter würde sie dann lächelnd ansehen und sie fragen, ob sie gut geschlafen hatte.
„Das kann doch nicht sein!“ Es war Kais Stimme, oder besser gesagt, sein Flüstern, das da leise an ihre Ohren drang. Sie spürte, wie sie plötzlich am ganzen Körper zitterte. Die Luft wurde ihr zu trocken, als sie versuchte, mit den Worten zu kämpfen.
Sie sah zu ihrem Mann, der sich unsicher umblickte. Also war es doch kein Traum.
Der ganze Raum hatte sich verändert. War ein ganz anderer geworden. In dem ganzen Zimmer gab es keine einzige Ecke mehr. Der Raum, in dem sie jetzt standen, war einfach kreisrund. Es gab auch keine hübschen Fenster mehr, dieser Raum hier hatte nur noch eine einzige Öffnung; ebenfalls kreisrund. Dahinter war, ähnlich wie ein Flur, ein schmaler Gang zu erkennen, der zu einer Seite offen war.
Plötzlich schrie jemand. Der Mann, der zuvor die Kabel verlegt hatte, sprang auf. Wieso war er hier? Er war doch vorhin noch in einem ganz anderen Zimmer gewesen? Zumindest kniete er aber immer noch vor einer Wand, und es hatte den Anschein, dass er bis vor wenigen Sekunden noch daran gearbeitet hatte.
Doch jetzt hielt er seine Hände weit von sich gestreckt. Julie sah genauer hin. Sie waren verbrannt. Aber das Gesicht des Mannes zeigte eher Schrecken als Schmerz.
„Was … was ist hier los? Meine Hände …“ stammelte er. Fassungslos starrte er auf seine Hände und dann zur Wand, an welcher er gerade noch gearbeitet hatte. Sie machte einen gleichmäßigen Bogen, war rund geworden. Aber auch das Material der Wände hatte sich verändert. Was eben noch harter Beton gewesen war, bestand jetzt aus einem kneteähnlichen Material, oder war zumindest davon überzogen. Der Elektriker stöhnte erschrocken auf. Vorsichtig streckte er seine verbrannte Hand aus und berührte die Wand. Verwirrt zog er sie wieder zurück, aber nur um es noch einmal zu versuchen. Als das Ergebnis seiner Untersuchung auch diesmal gleich blieb, blickte er ratlos zu den anderen. Doch hier war niemand, der ihm hätte eine Erklärung geben können. Hier waren alle genauso ratlos wie er selber. Kai stand jetzt neben seinem Vater. Während er den Elektriker anstarrte, der selbst unsicher von einem zum anderen starrte, murmelte er leise:
„Das … das muss doch wohl alles nur ein Traum sein. Es ist sicher gleich vorbei und ich werde aufwachen. Ja, alles ist gleich vorbei!“
Obwohl der junge Mann sehr leise gesprochen hatte, waren seine Worte doch für jeden verständlich gewesen, und obwohl er völlig unsicher geklungen hatte, hatten seine Worte doch den Ausschlag gegeben, um die anderen aus ihrer Erstarrung zu reißen. Langsam begann auch Julie, genau wie die anderen, die Tatsachen zu akzeptieren, auch wenn sie sich, genauso wie jeder andere hier, nicht erklären konnte, wie so etwas überhaupt möglich war. Auch Pieter Priest holte tief Luft und versuchte zumindest beruhigend seinen Sohn anzusehen. Als das ihm nicht ganz gelang, schüttelte er den Kopf und setzte sich langsam in Bewegung. Liz schien vergessen zu haben, wie man atmete. Sie hatte ihre rechte Hand fest um den Arm ihrer kleinen Tochter geschlossen.
„Sei vorsichtig Pieter.“ rief sie ihrem Mann zu.
Der war jetzt an diese seltsame runde Öffnung herangetreten. Sein Herz hämmerte wie rasend. Diese Öffnung führte wirklich in einen Gang, der sich nach links zog. Aber er war nicht groß. Am Ende war nur eine Wand zu erkennen. Gab es hier keinen Ausgang? Langsam trat Pieter näher heran. Aber diese Wand, die er von Weitem nicht einmal wirklich hatte erkennen können, war dem Anschein nach weder dick, noch stabil. Aber was war dahinter? Pieter wandte den Kopf und sah noch einmal zurück. Er hatte Angst. Aber es musste sein. Er musste wissen, wie es hinter dieser seltsamen Wand aussah. Er musste wissen, wo sie sich wirklich befanden; auch wenn er beinahe seine Zähne klappern hörte. Vorsichtig hob Pieter die Hände, näherte sie der Wand. Was würde passieren, wenn er sie berührte? Würde er sich die Hände verbrennen, vielleicht so wie der Elektriker? Als Pieters Hände jedoch diese
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