Herr der zwei Welten
dünne, membranähnliche Wand berührten, fiel diese einfach in sich zusammen. Jetzt erst bemerkte er, dass diese scheinbare Wand nichts anderes war, als glitzernde Staubfäden. Pieter erstarrte. Er war plötzlich draußen. Aber es war nicht der Garten, wo er sich jetzt befand. Keine Frage, dies war nicht einmal annähernd die Gegend, die er erwartet hatte. Erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, dass er tief in sich vielleicht mit einer Entführung gerechnet hatte. Irgendetwas in ihm hatte geglaubt, dass man sie vielleicht mit einem unsichtbaren Gas oder etwas Ähnlichem betäubt hatte, um sie dann woanders hinzubringen. Diese Erklärung wäre eine Möglichkeit gewesen, dies hier alles zu verstehen. Keine wirklich schöne Vorstellung. Trotzdem hätte Pieter diese Möglichkeit vorgezogen. Denn das, was jetzt vor ihm lag war, war etwas völlig anderes! Diese Umgebung schien keinem Land anzugehören, das Pieter jemals gesehen hatte.
Das Licht war ein anderes; von einem seltsamen Gelb und überzog den gesamten Himmel. Es wirkte beinahe plastisch, als blicke er durch eine gelbe Folie. Doch dahinter erkannte er Pflanzen und Land. Auch die Pflanzen, die er jetzt deutlich sehen konnte, waren von vollkommen unbekannter Art und riesig groß. Pieter rieb sich die Augen, sah noch einmal genauer hin und taumelte dann zurück in den runden Raum. Seine Hände krampften sich zusammen, er musste sich an den Wänden abstützen. Ihm war plötzlich nur noch schwindlig. Liz kam sofort auf ihn zu. Oh, wie gut es jetzt doch tat, ihre warmen Hände auf seiner Brust zu spüren. Aber auch ihr Atem ging flach, als sie ihn fragte:
„Was ist da draußen? Sag schon Pieter, was hast du gesehen?“
Liz dunkle Augen bettelten ihn förmlich um eine beruhigende Antwort an. Leider konnte er dem nicht entsprechen. Jetzt erst bemerkte er, dass er der Einzige war, der sich bisher nach draußen getraut hatte. Warum schauten sie nicht selber nach? Sollten sie doch selbst ihre Nasen aus diesem Raum tragen, dann würden sie schon sehen, was da draußen war! Kurz fühlte er, wie ihn Wut überkam. Doch das Gefühl verpuffte schnell. Er konnte niemandem einen Vorwurf machen, dass sie sich nicht trauten, noch mehr von diesem wirklich unerklärlichen Dingen zu sehen. Er wollte es ihnen so schonend wie nur möglich erzählen, doch er brachte kein Wort heraus. Konnte stattdessen nur hilflos und stumm mit den Achseln zucken. Sein Mund war trocken und seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Steff begann laut zu weinen. Pieter schluckte. Liz ließ ihn los und drehte sich Steff zu. Ihr Weinen weckte ihre Mutterinstinkte. Liz war eine starke Frau und im Moment schien die Tatsache, dass sie von ihrer kleinen Tochter gebraucht wurde, mehr zu wiegen, als all das, was hier geschehen war und noch immer nicht vorbei war. Pieter schluckte noch einmal, diesmal bewusst. Langsam begann sich der Speichel in seinem Mund neu zu bilden.
Er hörte, wie seine Frau sagte:
„Ruhig meine Kleine. Alles ist gut. Mum und Dad sind doch hier. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Steffs Weinen wurde tatsächlich leiser, bis sie schließlich nur noch sacht schluchzte. Auch Pieter bekam sich wieder unter Kontrolle.
Aber nicht nur Pieter, sondern auch die anderen standen wie erstarrt. Julie hatte im ersten Schrecken die Hand gegriffen, die ihr am nächsten war. Jetzt sah sie den Besitzer dieser Hand an. Es war die Hand von Kai, dem Sohn der Priests. Schnell ließ sie los. Kai lächelte tatsächlich. Irgendwie schien die vorgetäuschte Ruhe von Liz Priest ihnen allen geholfen zu haben. Julie versuchte etwas von dieser Ruhe in sich aufzunehmen und es gelang ihr. Trotzdem war die Angst keineswegs verschwunden. Sie war nur in eine andere Ecke gerutscht, war einen Schritt zurückgewichen. Aber Julie bezweifelte nicht, dass die Angst bei der kleinsten Ursache wieder hervorspringen würde. Vielleicht noch mehr als zuvor.
Plötzlich hörte sie Kai sagen und seine Stimme klang bemerkenswert fest:
„Wir scheinen uns hier in einer anderen Dimension zu befinden.“
Auch wenn diese Worte ruhig und fest gesprochen worden waren, klangen sie doch unwirklich und bedrohlich. Jedenfalls schien Pieter Priest das genauso zu sehen, denn er schrie seinen Sohn wütend an:
„Was? Was redest du da? Eine andere Dimension?- Du bist hier nicht in deiner Computerwelt, mein Sohn! Siehst du nicht, was hier los ist? Lass also gefälligst diese Art von Scherzen!“
Der junge Mann fuhr erschrocken zurück. So hatte er seinen
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