Herr der zwei Welten
Ecke, am Rande der City, wurde er fündig. Eine junge, aber viel zu grell geschminkte Frau, verließ gerade einen ihrer Kunden. Der Vampir brauchte keinen Beweis, er wusste, dass diese Frau einer der vielen Nutten war, die sich hier rumtrieben. Ihr Kunde verließ gerade das alte Haus, wo sie es ihm besorgt hatte. Das Gebäude war alt. Der Putz bröckelte und die Farbe war schon lange verblasst. Aber es besaß schöne, stuckverzierte Fenster und eine große torbogenartige Tür. Der Vampir schenkte den alten Mauern nur einen kurzen Blick. Er selbst hätte, wenn er damals hier gewesen wäre, seinen Bau beobachten können. Er war älter als diese Gemäuer. Seine Gedanken kehrten ungewollt in jene Zeit zurück. Doch nicht lange, denn die leichte Beute zog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie kam den alten Weg entlang, direkt auf ihn zu. Ihre roten, hochhackigen Schuhe verursachten ein hell klingendes Geräusch auf dem alten Pflaster. Ihr letzter Kunde war bereits um die nächste Häuserfront verschwunden. Sollte er! Sie war allein. Der Vampir blickte ihr direkt ins Gesicht. Dennoch konnte sie ihn noch nicht sehen. Aber bald … bald würden sich ihre Blicke treffen! Er würde das Letzte sein, was sie in ihrem verpfuschten Leben sah. Diese Frau war nicht nur ein leichtes Mädchen, sondern sie war auch sehr billig. Er konnte es nicht nur an ihrem billigen Parfum riechen. Diesen Frauen fehlte es an Geld für ein eigenes Zimmer, und so trieben sie es überall. Sie waren viel zu unsauber, viel zu süchtig nach irgendwelchen Stoffen, als dass sie gut zahlende Kunden anlocken könnten. Solche Frauen wurden nicht vermisst. Sie stellte ein leichtes Opfer für den König der Nacht dar!
Doch seit wann kümmerte ihn so etwas Banales, wie die Lebensqualitäten seiner Opfer? War ihm denn nicht immer die Jagd, und somit auch das Wagnis entdeckt zu werden, immer das Wichtigste gewesen? Die Erregung der Jagd und natürlich das Blut! Es stellte die Voraussetzung für seine Existenz!
Es war ihm bisher völlig gleichgültig, wer seine Opfer waren. Im Gegenteil, dieses Mädchen bedeutete ein viel zu leichtes Opfer für seinen Geschmack. Es war keine Gefahr dabei. Kein Prickeln. Der Spanier grinste. Seit damals, als er sich damit abgefunden hatte, was er war, waren ihm doch schöne und reiche Frauen die liebsten Opfer gewesen. Frauen, die mitten in der Blüte standen und einen trauernden Liebhaber zurückließen. Die Liebe: pah! Er hatte sie gehasst! Es hatte ihn magisch angezogen, Liebespaare durch den Tod zu trennen. Schmachtende Blicke, liebkosende Worte, die die Sterblichen so gerne verteilten, für ihn war das bisher Humbug gewesen. Lügen, die ihn rasend gemacht hatten.
Warum war das nicht mehr so? Julie! Kurz zögerte Eugeñio, aber dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Nutte zu. Schon roch er ihren Schweiß. Den Schweiß der Nacht und ihr Blut! Genießerisch zog er den Duft des warmen fließenden Blutes ein. Für Sekunden schloss er die Augen, um sich ganz diesem verführerischen Erlebnis hinzugeben. Er fühlte bereits den Geschmack ihres kostbaren Lebens auf der Zunge. Er zog die Lippen hoch. Wie ein Wolf, der seiner Beute gegenüberstand. Spitze Fangzähne blitzten im fahlen Licht der Straßenlaternen. Seine Zunge leckte über seine begierigen Lippen. Bald …!
Die Dirne verhielt kurz ihren Schritt. Sie hatte ihn bemerkt.
„Hey Süßer“, flötetet sie. „Na, wie wär´s mit uns beiden?“
Ihre Stimme war rau und mochte auf Männer aus Fleisch und Blut durchaus anregend wirken.
„Ich kann es dir gemütlich machen, wenn du willst.“ sagte sie und klapperte auffordernd mit ihren Lidern. Mit schwingenden Hüften kam sie näher. Ihr Rock, der kaum das Schamhaar verdeckte, rutschte bei jedem Schritt noch höher. Ihre hohen Pumps, rot wie ihr Mund, leuchteten, wie Funken die aufstoben. Sie lächelte ihn auffordern an.
Ihn-Ihren Tod! Er wollte keine bezahlten Stunden, keine gekaufte Zärtlichkeit. Er wollte nur eines … ihr Blut! Verlockend ließ sie ihre Zunge über ihre Lippen fahren. Ihr Blick war verschleiert. Vermutlich zählte sie im Geist schon das Geld, das sie noch hoffte einzunehmen. Eugeñio breitete mit einem Lächeln über den versteckten Fangzähnen, die Arme aus. Er ließ sie bis auf zwei Schritte heran tänzeln, dann entblößte er seine Zähne. Er liebte diesen Effekt! Er trat nur allzu gerne genauso so auf, wie die Menschen seine Art in ihren Filmen darstellten. Das machte seinen Opfern erst die
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