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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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ohnehin schon. Pieter hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie bald einen sehr klaren Kopf brauchen würden. Und den würden sie nur bekommen, wenn sie ihrer Angst Herr werden würden.
    Julie hatte aufgehört zu zittern. Zwar fühlte sie sich noch immer wie ein Häufchen Elend und das Lachen hatte dies noch bestärkt, aber schon allein der Gedanke an Eugeñio ließ sie beinahe lächeln.
    *

    Sie hörten zu. Niemand unterbrach Julie, als sie von sich und ihrer Liebe sprach. Es war schon bizarr, vermutlich sogar ein wenig verrückt, aber schon allein der Gedanke an Eugeñio beruhigte Julie. Und wer weiß, vielleicht war es für alle so eine Art Entspannung vor dem großen Sturm, sich von anderen Geschichten ablenken zu lassen. Doch plötzlich wurde Julies Erinnerung von Pieter unterbrochen.
    „Seid mal ruhig! Fällt euch nichts auf?“
    Jeder blickte sich fragend um. Doch natürlich! Es war dunkel geworden. Von einer Sekunde auf die nächste. Aber es war nicht dieses undurchdringliche Schwarz, das sie aus ihrer Welt kannten. Hier war die Dunkelheit von einem seltsamen dunklen Violett. Fast die Farbe von Veilchen, dachte Julie. Dennoch konnte man hier nicht die Hand vor Augen sehen.
    „Ich habe Angst.“ keuchte Liz.
    Pieter griff nach ihrer Hand und drückte sie fest.
    „Was macht Steff?“ fragte er leise.
    Julie spürte mehr, als sie es tatsächlich mitbekam, wie Liz nach ihrer kleinen Tochter angelte.
    „Sie schläft. Gott sei Dank sind Kinder manchmal gar nicht so ängstlich, wie wir Erwachsenen.“ sagte Liz dann.
    Das war schon merkwürdig, dachte Julie. Hatte sie nicht immer gedacht, dass Kinder die schwächsten Mitglieder einer Gemeinschaft waren? Dem war aber anscheinend nicht so; jedenfalls nicht in jeder Situation. Ihr selbst ging es jedenfalls jetzt nicht wie einem starken Erwachsenen; sie hatte Angst. Wie ein riesiges, schwarzes Tier saß sie ihr im Nacken. Sie schüttelte sich. Ein Geräusch, das plötzlich vom Höhleneingang herüber kam, machte es auch nicht grade besser. Julie fuhr entsetzt zusammen. Doch kurz darauf war eine bekannte Stimme zu hören.
    „Entschuldigt, aber ich musste mal eben für kleine Jungs.“ sagte Bernhard. Seiner Stimme war es anzuhören, dass es ihm peinlich war. Selbst in solch einer Situation schien er sich seiner natürlichen Bedürfnisse zu schämen. Er ließ ein leises Lachen hören.
    „He, ich wäre euch aber dankbar, wenn ihr weiter reden würdet. Sonst finde ich den Weg nicht mehr.“
    „Natürlich- warte mal!" rief Pieter ihm zu. „Ich habe da … ja, da ist es.“
    Gleich darauf leuchtete die Flamme eines Feuerzeuges auf.
    „Geht es so besser?“ fragte Pieter.
    „Ja, danke!“
    Als Bernhard wieder in der Runde saß, sagte er ganz ruhig:
    „Also, ich denke, wir müssen uns im Moment keine allzu großen Sorgen machen. Wenn es hier eine Gefahr geben würde, wäre ich sicherlich angegriffen worden, als ich grade alleine war. Wir können also beruhigt auf den Tag warten, und uns dann neue Gedanken machen, wie wir hier wieder wegkommen.“
    „Also ich weiß, dass ich sicher nicht schlafen kann. Tut mir leid.“ sagte Liz. „Bitte Julie, erzählen Sie uns weiter von sich. Oder vielleicht möchte ein anderer etwas erzählen?“
    Doch niemand meldete sich. Also erzählte Julie weiter. Sie erzählte und erzählte, und wie beim ersten Mal, vergaß sie ihre Angst. Schließlich wurde sie sogar müde. Sie horchte auf die anderen. Den Geräuschen nach zu urteilen, schliefen die meisten schon. Doch jetzt spürte Julie noch ein anderes Gefühl in sich aufsteigen. Sie hatte Hunger! Der Schwindel in ihrem Kopf stellte sich wieder ein, wie fast jedes Mal wenn sie Angst hatte. Ja, die Angst war begründet. Ganz gleich, ob sie hier von jemandem angegriffen wurden oder nicht, wenn sie morgen nichts zu essen oder zu trinken finden würden, dann bedurfte es keines weiteren Feindes mehr. Sie spürte, wie die Angst wieder von ihr Besitz ergriff. Dann schluckte sie tapfer den Kloß, der sich in ihrem Hals festsetzen wollte, hinunter und verscheuchte trotzig diese Gedanken. Pieter hatte recht, sie sollten alle etwas schlafen. Hunger, Durst und die Tatsache, dass sie in einer Umgebung waren, die niemand von ihnen kannte, waren alleine schon Schwachpunkte. Einen zusätzlichen Schwachpunkt konnten sie nicht gebrauchen! Sie mussten schlafen. Julie streckte sich auf dem weichen Höhlenboden aus und kuschelte sich zusammen. Hier überdeckte so etwas wie eine weiche Moosschicht den ganzen

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