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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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richtige Angst. Er liebte diese Angst! Er tat es mit voller Absicht. Er wollte ihre Todesängste schmecken. Hier war niemand, der ihre Todesschreie hören würde: Ihr letzter Freier war vermutlich bereits über alle Berge. Wahrscheinlich hatte er sein bezahltes Abenteuer schon lange vergessen. Und wenn nicht ..., na wegen einer Nutte würde er keine Schritte zurücklaufen! Die Nutte wusste das. Sie spürte ihre Hilflosigkeit, ihr Alleinsein. Die nackte Angst verzerrte ihre geschminkten Züge. Diese Angst war es, die ihm die Freude am Töten zeigte. Jetzt, in diesem einen Moment, war er ein echtes Kind der Nacht! Die Dirne war stehen geblieben. Schockiert, die Augen weit aufgerissen und das blanke Entsetzen im Gesicht, starrte sie ihn an. Nun drehte sie ab, wandte sich zur Flucht. Endlich! Sie raste die Straße hinunter. Ihre Schreie waren Musik in seinen Ohren. Ihre schmalen Absätze verfingen sich in den Fugen des alten Straßenpflasters. Sie stolperte. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie einzuholen. Selbst für einen Menschen. Aber er war kein Mensch. Der Vampir konnte warten. Er war noch nicht bereit; wollte diesen köstlichen Spaß noch nicht beenden. Lächelnd blickte er ihr nach. Dann rannte er los. Er war viel zu schnell, als dass ein menschliches Auge ihm hätte folgen können. Die Frau fühlte nur den Abstand zwischen ihr und ihrem Jäger wachsen. Dann, plötzlich, unerwartet für sie, stand er wieder direkt vor ihr. Beinahe rannte sie in ihn hinein. Aber nur beinahe. Irgendwie schaffte sie es sogar, ihren Schritt vorher zu stoppen. Wäre nicht das prickende Gefühl einer Jagd in ihm, hätte er ihr vielleicht sogar Anerkennung gezollt. Dann wirbelte die Nutte abermals herum und rannte laut schreiend zum zweiten Mal weg. Wieder ließ er ihr einen Vorsprung, gerade soviel, dass sie anfing, sich wieder in Sicherheit zu wiegen. Dann setzte er sich in Bewegung. Er lief direkt an ihr vorbei, ohne dass sie ihn hätte wahrnehmen können. Aber diesmal flüsterte er ihr ins Ohr:
    „Renne! – Ja, renne um dein armseliges Leben. – Vielleicht schaffst du es sogar.“
    Eugeñio wusste, wie das für die Dirne sein musste. Sie konnte niemanden neben sich sehen, und seine Stimme war wie ein Windstoß, der ihre Ohren streichelte. Und doch konnte sie seine Worte verstehen. Verwirrung und Panik standen in ihrem Blick. Ihre Verwirrung war so groß, dass sie ihre Schritte nicht abbremste, sondern in selbiger Richtung weiter lief. Er erwartete sie bereits. Keuchend blieb sie stehen. Es war kaum noch Luft in ihren Lungen. Ihre Augen traten sowohl vor Anstrengung als auch vor Angst weit aus ihren Höhlen. Dennoch versuchte sie es noch einmal. Sie wandte sich wieder um und begann, nun aber deutlich langsamer, vor ihm wegzulaufen. Es war eine sinnlose Flucht! Sie konnte nicht mehr schreien, nur ein hysterisches Röcheln kam noch über ihre Lippen. Einen ihrer Pumps hatte sie bereits zu Beginn dieses Spiels verloren, nun streifte sie auch den anderen ab. In ihren schwarzen Netzstrümpfen hastete sie weiter die alte Straße entlang. Sie spürte den Schmerz nicht mehr, als sie mit ihren nackten Zehen wiederholt an die Steine stieß.- Sie hatte keine Kraft mehr- nicht einmal zum Beten. Als der Dämon sie diesmal wieder erwartete, breitete er die Arme aus. Sie konnte ihre Beine nicht mehr bewegen. Hilflos und ermattet ließ sie sich von den Flügeln der Nacht umfangen. Er lächelte sie kalt an. In seinen Augen brannte das Feuer der Hölle. Eugeñio neigte den Kopf …
    Er wollte nichts riskieren. Zu oft blieb das Herz eines Junkies stehen, noch ehe er seine Mahlzeit beendet hatte. Die Gefahr eines Herzinfarktes war bei diesen Kindern der dreckigen Straßen immer sehr hoch. Ihr Herz setzte aus, wenn es bemerkte, dass das Blut zu schnell floss.
    Sie hatte die Augen weit geöffnet, während er trank. Aber sie starrte bereits in die Nacht der Ewigkeit. Er, der dunkle Gott, hielt sie in seinen Armen, die sich um sein Opfer gelegt hatten, wie zwei feurige Zangen. Sein schwarzes Blut pulsierte im Einklang mit dem ihren. Seine Zähne tief in ihren Hals geschlagen, saugten seine Lippen begierig den warmen Saft des Lebens. Gottgleich stand er über sie gebeugt. Er hielt ihr Leben in seinen Händen, spürte es wohlig durch seine Kehle rinnen. Er spürte, wie seine Kraft wuchs. Es war wunderbar, diese letzten Zuckungen, die der Körper als allerletzte Kraftreserve mobilisierte, zu spüren. Ihr roter Lebenssaft schmeckte köstlich. Noch ehe sie

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