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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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Sterblicher konnte ihm mehr gefährlich werden. Zu viele Jahrhunderte hatte er sich schon mit ihnen herumgeschlagen. Jetzt war er zu alt, zu mächtig, als dass sie noch an ihn herankämen. Aber, wenn die Polizei ihn beobachtete, dann konnte er nicht ungehindert selbst versuchen, Julie zu finden.
    „Wieso interessieren sie sich denn plötzlich so für meine Schwester? Julie hat mir erzählt, dass sie wollten, dass sie sich nicht wieder sehen.“ fragte Tina, mitten in seine Gedankengänge hinein.
    Der Spanier sah die Frau an. Für Sekunden ließ er seinen Geist in Tinas Bewusstsein eindringen. Ja, sie glaubte nicht, dass er ins Ausland gegangen war. Obwohl Julie es ihr erzählt hatte, glaubte sie doch, dass beide ein Verhältnis gehabt haben und er dieses dann beendet hatte. Ein geradezu köstlicher Gedanke! Er hätte niemals gedacht, dass es ihm so viel bedeuten würde, als Julies Liebhaber angesehen zu werden.
    „Julie kennt den Grund.“ antwortete er ruhig. „Bitte glauben Sie mir, aber es hat nichts mit ihrem Verschwinden zu tun. Ich werde Julie suchen und ich verspreche ihnen, dass ich sie auch finden werde!"
    Jetzt mischte sich Tinas Mann ein. Es war das erste Mal, dass er sich zu Wort meldete.
    „Ich will sie ja nicht drängen, aber gibt es irgendetwas, das wir wissen sollten? Ich meine, wenn …?“
    „Nein, nichts was mit meiner Person zu tun hat, ist für Julies Verschwinden verantwortlich. Weder aus der Vergangenheit noch aus der Gegenwart. – Ich weiß aber, dass sie ein Problem hat. Bitte stellen sie mir keine weiteren Fragen. Ich weiß wirklich nicht mehr, als sie. Es ist nur so eine Ahnung. Ich verspreche ihnen nochmals, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um sie zu finden. Ich werde ihr helfen. Glauben sie mir bitte!“
    Warum hatte er seine Ahnungen nun doch erwähnt? Wo war seine in Jahrhunderte antrainierte Ruhe geblieben? Verflucht, was machte er hier gerade? Doch Tinas Augen wurden weicher. Sie beobachtete ihn. Sie schien ihm glauben zu wollen. Er lächelte ihr zu.
    „Gut, wir werden dann jetzt gehen. Wenn Julie sich bis morgen nicht gemeldet hat, werde ich zur Polizei gehen. Es ist nämlich so, dass Tina vergessen hat zu erwähnen, dass Julie von einem Auftrag nicht wieder nach Hause gekommen ist. Ich denke, das könnte doch wichtiger sein, als gedacht. Es sind zwar meistens völlig zuverlässige, ehrenhafte Leute, mit denen sie es bei ihren Immobilien zu tun hat, aber man weiß ja nie. Auf Wiedersehen, Herr Eugeñio.“ sagte Tinas Mann und griff nach der Hand seiner Frau, während er aufstand.
    Tina reichte ihm ihre Hand. Sie spürte nicht die Kälte seiner Haut. Er hatte ihr dieses Gefühl genommen. Die Kraft seines Blickes reichte aus, um den Menschen seine Andersartigkeit zu verschweigen.
    Dringender als zuvor war jetzt das Gefühl, sie zu finden. Sie einfach finden zu müssen! Julie war in Gefahr! Dieser Gedanke machte ihn fast wahnsinnig. Schon allein, die Tatsache, dass sie ihn gerufen hatte, war schlimm, aber die Ferne der Rufe, die Weite dieser Signale, die sie aussandte, waren das, was er nicht verstehen konnte. So etwas hatte er noch nie erlebt. Wie konnte das sein? Wo war Julie?
    Konnte er Gaston um Hilfe bitten? Konnte er es wagen?
    Er sah noch Gastons Gesicht vor sich, als er ihm steckte, dass Julie tabu war. Der Franzose war wütend gewesen, als er ihm damals die Tour versaut hatte. Aber als Eugeñio ihm erzählte, dass Julie für jeden tabu sein sollte, dass auch er ihr nicht das Blut nehmen wollte, und das, weil er Julie liebte, hatte Gaston gelacht. Dass er Julie liebte, war für ihn ein Scherz. Aber Eugeñio hatte ihm, bei Androhung eines Kampfes auf Leben und Tod, den der Franzose auf jeden Fall verlieren würde, strikt verboten sich auch nur in Julies Nähe aufzuhalten! Gaston hatte ihn ausgelacht, aber Eugeñio hatte die Angst dahinter gespürt. Natürlich hatte der Franzose sich daran gehalten, Eugeñio wusste das. Aber Gaston hatte ihn in letzter Zeit oft besucht. Viel zu oft, nach Eugeñios Geschmack. Vampire waren Einzelgänger, was also wollte Gaston?
    Immer wenn er auftauchte, hatte er ihm von seinen Jagderlebnissen berichtet. Viel zu ausführlich hatte er die, in seinen Armen sterbenden, Schönen beschrieben. Er hatte ihm in allen Einzelheiten den Genuss beschrieben, wenn das Leben aus den Körpern glitt. Er wusste, dass Eugeñio seine Jagdaktivitäten bis auf das Notwendigste eingeschränkt hatte. Seit er Julie kannte, war das Gefühl bei der

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