Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
Vom Netzwerk:
starrten ihn stumm an. Dann folgten sie ihm. Er führte sie hinter eine Häuserwand, die einen kleinen schäbigen Hof umschloss. Hilflos standen sie vor ihm. Plötzlich, keine der Mädchen hätte die Bewegung verfolgen können, selbst dann nicht, wenn er sie nicht unter seinen Willen gezwungen hätte, schnellte sein Arm vor und packte das eine Mädchen bei der Kehle. Unbarmherzig drückte er die Luft ab, bis sie ohnmächtig zu Boden sank. Das andere Mädchen stand bewegungslos daneben. Das Entsetzen in den Augen, aber unfähig sich zu bewegen. Der Vampir lächelte grausam. Er streckte ihr seine Arme entgegen, zog sie an sich. Seine Lippen öffneten sich und zwei spitze Zähne gruben sich lustvoll in ihren Hals.
    Er ließ sie einfach liegen. Das eine Mädchen tot - blutleer. Das andere immer noch bewusstlos. Sie würde ihm nichts anhaben können. Er wandte sich ab. Jetzt war er gestärkt und gesättigt. Er nahm seine nächtliche Wanderung wieder auf. Seine Gedanken kehrten zurück und geboten seinem Instinkt zu schweigen. Julie! Es machte ihn wahnsinnig, nicht zu wissen, wo er sie suchen sollte! Nur die Blutmahlzeiten erlösten ihn für kurze Zeit von seiner Qual. Bis die Sonne sich wieder meldete, würde er durch die alten verfallenen Straßen Prags ziehen … und er würde noch einmal töten! Vielleicht nur noch einmal, vielleicht auch zweimal. Es machte ihm keinen Spaß mehr, aber die Qualen, die sein Herz durchlebte, mussten wenigstens für Minuten zum Schweigen gebracht werden, oder er würde den Verstand verlieren!
    *
    Tage später.
    Schon zehnmal war die gelbe, runde Sonne aufgegangen. Zwar war sie nicht wirklich rund, sondern bestand, wie sie mittlerweile wussten, aus zwei getrennten Halbsonnen, die aber so zueinanderstanden, dass sich eine runde Scheibe bildete. Ihr Licht war so grell, dass der Innenhof erst wieder zu erkennen war, wenn die Sonnen im Untergehen begriffen waren. Denn sie gingen nicht genau gleichzeitig unter. Zwar war die Zeitspanne, die zwischen dem Untergehen der beiden Scheiben lag, nicht gerade lang, aber dennoch reichte sie, um die beiden Einzelteile klar zu erkennen.
    Die Menschen hatten begonnen, sich mit den Tatsachen abzufinden. Sie waren nun mal hier, hier in dieser fremden Welt. Auch wenn niemand auch nur den leisesten Anflug einer Ahnung hatte, wie oder gar warum sie hier waren, konnte doch niemand etwas daran ändern. Die kleinen Leute aus dem Blauen Land, wie sie selbst ihre Heimat nannten, machten es ihnen leicht sich hier wohlzufühlen. Sie waren immer freundlich und aufmerksam ihren Gästen gegenüber. Ihr liebster Zeitvertreib schien neben Lachen, Spielen und sich einfach nur zu unterhalten, wirklich die Zucht zu sein. Unter Zucht, so hatten sie bisher begriffen, war hier nicht nur das Hervorbringen von Nachwuchs zu verstehen. Auch ohne dieses Ziel waren die körperliche Liebe und Zärtlichkeiten an sich, ein wichtiger Bestandteil des Tagesablaufes. Doch das, was zuerst beinahe abschreckend und jetzt zumindest noch merkwürdig auf die Menschen gewirkt hatte, begann langsam auf sie überzugreifen. Noch war es ihnen nicht bewusst, aber die hiesige Atmosphäre förderte diese Gefühle einfach.
    Dervit und TsiTsi gingen jedenfalls mehrmals am Tag der Liebe nach. Selbst die Kinder, Thela und Karon kannten eine Menge Spiele, in denen es um Liebe und Zärtlichkeitsaustausch ging. In den vergangenen Tagen waren noch weitere Blaue zu ihnen gestoßen. Sie hatten ihre Wohnhöhlen ganz in der Nähe. Alle waren es ähnliche Höhlen wie die, in der Dervit mit seiner Familie und in der nun auch sie lebten.
    Die Kinder der Blauen, die hier ein ganz besonderes Recht zu genießen schienen, trafen sich regelmäßig mit Gleichaltrigen um zu spielen, zu lachen oder einfach nur zum Reden. Aber immer sah man mindestens zwei, die Hand in Hand saßen und schmusten. Auch Steff hatte sich bereits angeschlossen. Selbst Liz fand nichts Merkwürdiges mehr daran, selbst dann nicht, wenn man die Kinder, ähnlich den Erwachsenen, stöhnen hörte. Oft klang es beinahe so, als wären sie wirklich einer sexuellen Ekstase nahe.
    Auch Liz und Pieter liebten sich jetzt öfter, als in ihrer gesamten Ehezeit. Julie konnte es Liz immer wieder an ihrem glückseligen Lächeln ansehen. Doch all das störte niemanden mehr. Die Angst oder vielleicht sogar Abneigung dieser fremden Welt gegenüber, war völlig verschwunden. Julie fühlte, dass die Begierde auch sie langsam ergriff. Doch noch wollte sie sich nicht auf diese

Weitere Kostenlose Bücher