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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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decken, die überall auf dem Boden platziert waren, sagten genau das aus. Doch plötzlich kam ihr ein merkwürdiger Gedanke.
    Schliefen Dervit und TsiTsi etwa auch miteinander, einfach so hier, auf dem Boden? Vor ihren Kindern? Liz lief es kalt den Rücken runter. Nein, so etwas konnte sie sich gar nicht vorstellen! Dennoch.. Liz spürte, dass auch in ihr eine Veränderung stattgefunden hatte. Sie war leicht und kaum zu beschreiben, und doch war sie da!
    Liz schaute wieder zu der kleinen blauen Frau und bemerkte deren wartenden Blick.
    „Ich weiß nicht, wie ich unser Leben erklären soll. Es ist nicht so einfach, wie es augenscheinlich bei euch ist. Wir.. wir brauchen, nun ja, einen gewissen Standard um zu leben. Dafür müssen wir lernen und später arbeiten. Es gibt Krankheit und Tod. Aber natürlich gibt es auch sehr schöne Dinge bei uns.“
    Als sie TsiTsis erschrockenen Blick sah, fügte sie schnell hinzu:
    „Natürlich bedeutet auch uns die Liebe sehr viel. Auch bei uns ist sie das größte aller Gefühle. Aber wir können uns nicht nur darum kümmern. In unserer Welt muss jeder dazu beitragen, dass das Leben funktioniert.“
    Liz verstummte. Ihre Ansage hatte banal und philosophisch zugleich geklungen. Aber etwas anderes fiel ihr beim besten Willen nicht ein. Sie hätte wirklich gehofft, dass Pieter oder ihr allwissender Stiefsohn ebenfalls versucht hätten, den Blauen ihre Welt zu erklären. Aber dem war wohl nicht so. Gut, dass die anderen mittlerweile ebenfalls müde geworden waren und niemand auf einer weiteren Erklärung beharrte. Liz atmete auf. Nach kurzer Zeit schliefen die meisten von ihnen. Kai und Julie waren wohl am längsten wach. Doch auch sie hatten es sich bequem gemacht und entspannten. Kai blickte still in die nun doch kärglich erhellte Dunkelheit, denn die Kerzen waren niedergebrannt und nur noch der Kerzenhalter spendete ein tröstendes Licht. Es wunderte ihn, wie leicht sie alle doch auf ihr FÜRSICHSEIN verzichten konnten. Dann fielen aber auch ihm die Augen zu. Auch Julie war eingeschlafen und träumte von grünen Wiesen und strahlendem Sonnenschein. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Züge, als auch Eugeñio im Traum erschien.
    Spät in der Nacht, Julie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, wurde sie durch ein Schluchzen geweckt. Trotz der nun wirklich undurchdringlichen Dunkelheit, wusste sie beinahe sofort, wer da weinte.
    Julie bewegte sich leise auf das Schluchzen zu und streckte ihre Hand aus, um Liz Mary zu berühren. Im ersten Moment zuckte die andere Frau erschrocken zusammen, aber dann erkannte sie wohl, wer es war, denn sie beruhigte sich schnell wieder.
    „Es ist gut, hör auf zu weinen. Bitte beruhige dich!“ versuchte Julie diesen zuckenden Rücken, den sie nun streichelte, zur Ruhe zu bewegen.
    „Wir werden sicher nie mehr nach Hause kommen.“ schluchzte Liz leise.
    Julie schüttelte den Kopf. „Liz … Liz, versuche es einfach als Urlaub zu betrachten. Wir kommen sicher wieder nach Hause.“
    Doch Liz schüttelte so heftig den Kopf, dass Julie sogar ein paar nasse Tropfen abbekam. Sie streichelte jetzt über das dichte, halbkrause Haar der anderen Frau.
    „Julie, ich weiß, ich bin so egoistisch.“
    „Nein, das bist du ganz sicher nicht! Nur weil Du Angst hast, bist du doch nicht egoistisch! Wie kommst du denn nur darauf?“
    Julie spürte mehr als sie es sah, wie Liz sich aufsetzte, und versuchte selbst in dieser Dunkelheit, ihr ins Gesicht zu blicken.
    „Doch“, beharrte sie. „Ich bin egoistisch! Ich habe alles hier, was ich brauche. Meinen Mann, meine Kinder. Das sollte doch reichen, oder? Aber du und Bernhard? Du hast deine ganze Familie verloren. Und den Mann, den du liebst! Vielleicht wirst du ihn jetzt wirklich niemals mehr wieder sehen. Und deine Schwester auch nicht!“
    Liz begann wieder zu schluchzen. Die Tränen bahnten sich in dicken Strömen ihren Weg durch ihr hübsches Gesicht. Julie schluckte, aber dann überwog doch der Drang, ihre neue Freundin zu trösten.
    „Weißt du Liz, ich hätte ihn doch auch so nicht wiedergesehen. Er lebt nicht mehr in Deutschland und ich weiß nicht einmal, wo er hingezogen ist. Aber ich träume jede Nacht von ihm. Auch hier.“
    Das Zucken unter ihren Händen wurde schwächer. Liz rieb ihr Gesicht mit der weichen Decke, auf der sie saß, trocken. Dann drehte sie sich wieder Julie zu.
    „Danke.“ sagte sie und nahm Julies Hand. „Du hast recht. Eigentlich geht es uns doch gar nicht so schlecht

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