Herr der zwei Welten
Gesicht. Hatte Julie vorher vielleicht noch die Hoffnung gehabt, dass die Krankheit vielleicht doch nicht so ernst sein könnte, Dervits Gesicht sagte ihr, dass dem doch so sei! Sie wunderte sich nicht, dass er schon wusste, wie es um Karon stand. Der Rauch und die Rufe waren kilometerweit zu vernehmen. Julie wartete nun doch noch und ließ Dervit den Vortritt. Kaum hatte er die Höhle betreten, hörte sie schon TsiTsi aufschreien. Sie weinte. Julie hätte es zuvor fast nicht für möglich gehalten, dass es hier, in dieser Welt überhaupt so etwas wie Tränen geben könnte. Aber da hatte sie sich geirrt. Jetzt würde das Lachen hier wohl für einige Zeit verstummen. Erst jetzt bemerkte sie Kais Blick, der vorwurfsvoll an ihr hing. Als sie ihn jedoch ansah, sah er schnell weg und eilte selbst in die Höhle. Aber es war ihr eigentlich gleich, was Kai von ihr dachte. Sie bereute es nicht, ihm gesagt zu haben, dass der Sex mit ihm eine einmalige Sache gewesen war und dass sich dies nicht wiederholen sollte. Sicherlich war es für ihn hart gewesen und das tat ihr auch leid, aber ihr Reuegefühl war nach dieser Nacht so stark gewesen, dass es beinahe Ekel gleichkam. Sie wollte und sie konnte es nicht wieder machen. Es war ihr gleich, wenn sie den Rest ihres Lebens würde alleine verbringen müssen. Aber all diese Gedanken hatten ein schnelles Ende, als sie TsiTsi wieder schluchzen hörte. Obwohl sie nichts mehr wünschte, als bei TsiTsi und Karon zu sein, zögerte sie noch. Sollte sie jetzt wirklich zu ihnen gehen? Würde sie in dieser kleinen Familie jetzt nicht störend wirken? Aber schließlich war Kai auch drinnen. Außerdem wollte sie unbedingt wissen, wie es wirklich um Karon stand. Hinter sich hörte sie tippelnde Schritte. Julie drehte sich um. Simonja kam hinter einem der Büsche hervor, also hatte auch sie noch gewartet. Julie setzte sich und wartete auf ihre Freundin, die sich auch gleich zu ihr setzte. Sie hatten sich daran gewöhnt Gespräche nur im Sitzen zu führen, dass sie es nun ganz normal fanden, hier vor der Höhle zu sitzen. Julie konnte es Simonja ansehen, dass sie an dem was geschehen war, noch schwer zu schlucken hatte.
„Weißt du“, begann sie nun zu erzählen. „Karons Krankheit ist sehr gefährlich. Meine Mutter ist daran gestorben.“
Julie zog die Stirn kraus. „Das tut mir leid. Ich wusste nicht ...“
„Julie … Ich glaube auch Karon wird es nicht überleben. Eigentlich gibt es diese Krankheit nicht oft bei uns. Ich verstehe nicht, weshalb ich es zweimal erleben muss, einen Menschen, den ich liebe durch sie zu verlieren!“
Julie fühlte, wie ihr Herz aussetzte.
„Nein! Er wird nicht sterben! Es muss doch etwas geben!“ schluchzte sie.
Doch ihre Freundin sah sie nur traurig an.
„Ich weiß nicht einmal, ob es überhaupt etwas gibt, das gegen die Schüttelkrankheit hilft. Wir können nur beten. Möge Morsena uns beistehen! Sie allein kann Karon jetzt helfen. Möge sie es doch nur tun!“
Entsetzt sah Julie wie silberne Tränen über Simonjas hübsches Gesicht liefen. Sie zogen dicke Bäche, die nicht mehr enden wollten. Julies Gefühl, einen dicken Kloß im Hals zu haben, an dem sie gleich ersticken würde, wurde geradezu übermächtig. Sie spürte, wie ein starkes Zittern ihre Schultern beben ließ. Erst dadurch konnten sich ihre Gefühle entladen. Sie schluchzte laut und weinte. Aber es tat gut. Dadurch war sie das Gefühl, dass ihr jemand die Kehle zudrückte endlich los. Ihr Schluchzen musste laut gewesen sein, denn Kai kam aus der Höhle, überlegte einen kurzen Moment und nahm sie dann doch in die Arme. Doch Julie stieß ihn im ersten Moment wieder zurück. Doch es tat ihr genauso schnell leid und sie entschuldigte sich. Kai nickte nur stumm.
„Schon gut.“ Es war eher ein Flüstern und Julie konnte die Worte nur erahnen. Dann drehte er wieder ab und lief davon. Julie blickte ihm durch dicke Tränenschleier hinterher. Warum nur war sie so brüsk mit ihm? Er hatte es doch nur gut gemeint, wollte sie trösten. Und sie? Verflucht! Aber da lenkte der Heiler, der gerade die Höhle verlassen hatte ihre Aufmerksamkeit wieder ab. Der Mann kam zu ihnen und blieb dicht vor den beiden heulenden Mädchen stehen. Da sie beide aufgestanden waren, war der Größenunterschied wieder nahezu grotesk. Dennoch schien das Interesse des Heilers nicht auf ihre Größe gerichtet zu sein. Wie anders wäre solch eine Situation in ihrer Welt abgelaufen, dachte Julie- dort würden die Blauen
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