Herr der zwei Welten
mithalten können, als ihre Eltern zu Karon geeilt waren. Die Kleine war noch ganz außer Atem. Ihr kleines Gesicht war puterrot. Am Höhleneingang blieb sie stehen, betrachtete Karon und ihre Mutter, die noch bei ihm kniete. Dann trat sie fast schüchtern zu ihrem kleinen blauen Freund. Sie kniete sich neben ihn und ihre Mutter, und ihre blauen Augen wanderten von Karons Gesicht, zu ihrer Mutter und dann zu TsiTsi. Julie tat es leid, dass Steff so etwas mitmachen musste. Sie war doch noch so jung! Ihre Stimme war vom Weinen verzerrt, als sie fragte:
„Mum, wird Karon wieder gesund? Er wird doch nicht sterben müssen?“ Ängstlich betrachtete sie das Gesicht ihrer Mutter, so als würde sie versuchen allein an ihrer Mimik die Wahrheit zu erkennen. Als Liz nicht gleich die Worte fand, wurde das Blau ihrer Augen dunkler und die Tränen bahnten sich nun doch ihren Weg. Julie war sicher, dass Liz die Reaktion auf ihr Schweigen zwar nicht entgangen war, aber ihr schien einfach die Stimme zu versagen. An ihrer Stelle antworte TsiTsi.
„Komm mal her, meine Kleine. Setz dich mal zu mir. Wir hoffen alle, dass Karon wieder gesund wird. Du wirst sicher bald wieder mit ihm spielen können! Das möchtest du doch? Wenn du es dir ganz fest wünschst, dann wird Karon es auch schaffen. Das ist sicher!“
Julie bewunderte die Festigkeit ihrer Stimme. Sie hatte es nicht nur geschafft, dass die Tränen wieder versiegten und Steff ihr glaubte, sondern sie hatte dem Kind eine Aufgabe gegeben, etwas, dass sie tun konnte. Steff hatte das Gefühl vermittelt bekommen, ihren kleinen Freund nicht nur der Hilfe der Erwachsenen überlassen zu müssen, sondern selber etwas tun zu können. Allein durch ihren Wunsch würde sie etwas beitragen können! Steff hob die Schultern wie jemand, der ganz fest entschlossen ist, einen Kampf zu gewinnen. Dann nickte sie ernst. Ihre Augen suchten wieder nach Karon. TsiTsi ließ sie gehen. Wieder hockte sie sich neben Karon, aber diesmal legte sie ihre kleine Hand auf die Stirn ihres Freundes. Gerade in diesem Moment, es kam allen wie ein Wunder vor, öffnete der Junge die Augen. Er sah seine Freundin und lächelte sogar. Aber dann schien ihn die Kraft wieder zu verlassen und er schloss seine Augen wieder.
Steff ergriff seine Hand. „Du wirst wieder gesund. Hörst du mich? Ich weiß es ganz sicher, weil ich es mir ganz doll wünsche. Mehr als alles andere!“
Steff schien sich sicher zu sein, dass Karon sie verstand. Irgendwie gab diese Szene auch Julie die Kraft an das Wunder zu glauben. Als Pieter ebenfalls seine Begleitung anbot, lehnte Dervit aber ab. Er sagte, dass sie wünschten, Pieter und Liz Mary würden lieber hier bleiben und sich um Thela kümmern.
„Wir wären wirklich beruhigt, wenn wir wissen könnten, dass unsere Tochter in euren liebevollen Händen ist.“ endete Dervit.
„Ja, das sehe ich ein, auch wenn ich euch gerne unterstützt hätte. Aber wir versprechen, auf Thela achtzugeben.“
Auch Liz versprach gut auf Thela aufzupassen. Julie glaubte, dass sie sich sogar ein wenig darüber freute, Thela bemuttern zu dürfen. Noch weinte sie, als sie jetzt wieder zu Karon sah. Seine Haut war noch grüner geworden. Also war das Fieber weiter gestiegen und er zitterte wieder fürchterlich. Julie konnte sich nicht erinnern, jemals solche Angst ausgestanden zu haben, wie jetzt, um diesen kleinen blauen Jungen. Sie und TsiTsi wollten Karon gemeinsam versorgen, während Simonja und Liz sich um die Vorbereitung des Proviants kümmern wollten. Die Männer widmeten sich dem Bau der Trage. Dazu mussten mehrere große Pflanzen gefällt und ihre Stängel dicht zusammengebunden werden. Es dauerte beinahe die ganze Nacht, denn die Trage musste so konstruiert werden, dass auch ein viel größerer Karon bequem darauf Platz haben würde. Inzwischen wechselten auch Thelas Sachen die Höhle. Der Morgen brach schon beinahe an, als sie endlich mit allem fertig waren. Dann setzten sie sich noch einmal kurz zusammen um eine Stärkung zu sich zu nehmen, bevor sie aufbrachen.
*
In Julies alter Welt war bereits ein Jahr vergangen.
„Du hast sie also noch immer nicht gefunden?“
Gastons grüngraue Augen blickten auf die Männergestalt, die auf dem beigefarbenen Ledersessel saß, der in der hinteren Ecke, des nur mit einer einzelnen Glühlampe, mäßig erhellten Raumes stand. Die Gestalt bewegte sich nicht; nur die Augen blickten knallhart.
„Nein.“ Die knappe Antwort war so leise gesprochen, dass selbst
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