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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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und dazu auch noch viel zu glatt. Verdammt! Auch Julie spürte wieder die Tränen aufsteigen. Sie sah zu Karon, der still auf seiner Trage lag. Bekam er noch irgendetwas von all dem mit? Julie bezweifelte es. Nein, sie bezweifelte es nicht nur, jetzt hoffte sie es. Denn der Kleine würde hier sterben müssen. All die Strapazen waren umsonst. Niemand würde jetzt mehr helfen können. Ein schrecklicher Gedanke! Julie fühlte sich, als drücke ihr jemand plötzlich alle Luft ab.
    Doch jetzt meldete sich Bernhard.
    „Ich werde das machen. Ich habe ein wenig Erfahrung in solchen Dingen. Bleib ganz ruhig TsiTsi, wir schaffen das! Wir haben Seile dabei und … es wird schon schief gehen!“
    Er stand schon an der Trage, an deren Fußende die Seile lagen. Langsam rollte Bernhard sie auseinander. Dann nickte er.
    „Gut, das dürfte reichen. Hoffentlich schreit die Blüte nicht, wenn ich sie schneide. Ich bin so empfindlich gegen Tränen.“ Bernhard warf ein Grinsen in die Runde.
    Bernhard wollte sie alle aufmuntern, doch Julie schluckte schwer. War er denn nicht dabei gewesen, als Dervit die Sache mit der Blüte erklärt hatte?
    „Leider wird es so nicht gehen, Bernhard.“ erklärte jetzt auch Dervit. „Man kann die Blüte nicht zu Karon bringen. Es muss andersrum geschehen. Die Blüte kann nur helfen, wenn sie in gesunder Beziehung zu der Mutterpflanze steht. Ist sie einmal geschnitten, birgt sie leider keine Medizin mehr. Sie wäre völlig nutzlos.“
    Dervit blickte zu Boden; er versuchte seine Verzweiflung zu verbergen. Aber jeder wusste sowieso, wie seine Gefühle jetzt waren. TsiTsi hatte aufgehört zu weinen, doch nun faltete sie die Hände und betete zum Himmel. Doch wieder beruhigte sie Bernhard. Julie war sich sicher, wäre der Grund ein anderer, Dervit hätte seine Hilfe niemals angenommen. Es war ein viel zu gewagtes Unterfangen, auf das sich der ältere Mann da einlassen wollte. Aber hier ging es um seinen Sohn! Seinen einzigen Sohn! Nur deshalb schöpfte er wieder Hoffnung. Seine dunklen, runden Augen blickten hoffnungsvoll auf Bernhard, der tat, als sehe er das gar nicht. Julies Respekt vor diesem Mann war gewaltig gestiegen. Er nickte nur und versicherte:
    „Keine Panik, Leute! Es ist sicher kein allzu großes Problem, den Jungen mit rauf zu nehmen. Ihr müsst ihn mir auf den Rücken binden. Es sind ja genügend Seile da. Ihr müsst aber ein paar von euren Kleidungsstücken rumwickeln, sonst schnüren die Seile ihn ein.“
    TsiTsi war nun außer sich vor Freude.
    „Du hast recht!“ rief sie. „Damit die Seile ihm nicht wehtun. Danke Bernhard. Vielen, vielen Dank!“
    Julie schwieg, sie sah Kai an, der diesmal ihren Blick erwiderte. Sie wusste, er hatte ebenfalls bemerkt, dass die Seile auf keinen Fall reichen würden. Wenn man den Jungen auf Bernhards Rücken band, dann konnten sie ihn niemals bis nach oben ausreichend sichern. Er würde also ein gutes Stück ohne Sicherung klettern müssen. Nur allzu leicht konnte man sich vorstellen, wie gefährlich das sein würde. Doch sie schwiegen beide.
    Karons Eltern glaubten an die Rettung ihres Kindes. Zum ersten Mal, seit sie aufgebrochen waren, um die Dsaidsa-Blüte zu finden, war wieder ein Lächeln in ihren Gesichtern zu sehen. Das war der Grund, warum keiner von ihnen die Tatsache erwähnte, dass die Seile nicht reichten. Nur Simonja, die wohl nichts von Seilsicherung verstand, sehr wohl aber in Julies Gesicht die Sorge gelesen hatte, sah Julie jetzt fragend an. Doch Julie schüttelte nur den Kopf. Sie hoffte, dass weder TsiTsi noch Dervit etwas bemerkten. Bernhard selbst schien die Ruhe in Person zu sein. Dervit hielt jetzt seine Hand.
    „Vielen Dank!“ sagte auch er. „Ich werde dir das niemals vergessen! Es ist sicher sehr gefährlich. Du musst nicht denken, dass wir das nicht erkennen.- Du bist dir sicher, dass du das für uns tun willst?“
    Trotz der Frage klang seine Stimme hoffnungsvoll, und genauso sah er Bernhard auch an. Dieser nickte.
    „Lasst uns jetzt aber an die Arbeit gehen! Danken kannst du mir meinetwegen nachher.“
    Er grinste verschmitzt, knuffte Dervit kurz in den Arm und wandte sich den Seilen zu. Als die Seile geknotet waren und Karon auf Bernhards Rücken festgeschnallt war, gab Dervit noch einmal letzte Instruktionen. Er erklärte, was zu tun war, wenn sie bei der Blüte angekommen waren. Bernhard hörte noch einmal aufmerksam zu und machte sich dann an den Aufstieg. Karon hing wie ein Sack nasser Wäsche in seinen Riemen,

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