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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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Julie schluckte schwer. Ihre Müdigkeit hatte sich wieder zurückgezogen. Wie sollte sie auch schlafen, während Karon vielleicht …?
    Wie lange würde dieser kleine Körper noch die Strapazen der Krankheit ertragen können? Wann würde sein kleines Herz einfach den Kampf aufgeben? Julie hörte sich selber schluchzen, dabei hatte sie nicht einmal bemerkt, dass sie weinte. TsiTsi blickte zu ihr rüber und nickte ihr zu.
    „Er wird es schaffen!“ rief Julie ihr zu. „Ich weiß es einfach!“ Sie kam sich dabei wie eine Lügnerin vor. Tatsächlich glaubte Julie nicht mehr daran, das hatte sie kapiert, als sie tief in sich hineingehört hatte. Am liebsten hätte Julie sich jetzt heulend nach vorne fallen lassen, das Gras in ihren Händen zermalmt, und hätte ihren Schmerz in die Welt hinaus geschrien. Stattdessen nahm sie sich zusammen, trocknete die Tränen, die auf ihren Wangen glitzerten, und schenkte TsiTsi ein aufmunterndes Lächeln. Es verkrampfte ihr das Herz, doch sie wollte TsiTsi und Dervit die Zeit lassen, bis es soweit war und Karon wirklich seinen letzten Atemzug tat. Sie sah zu dem Kleinen hin, auch von ihrem Standort aus, war sein kleines Gesichtchen deutlich zu erkennen. Auf einmal trat Kai in ihr Gesichtsfeld und kniete sich neben das Kind. Auch in seinen Augen standen die quälenden Vorahnungen, die auch Julie marterten. Karon sah so krank aus! So krank, dass jede Stunde die er noch atmete, an ein Wunder grenzte. Aber ihnen blieb keine Wahl, sie waren gezwungen zu warten. Sie mussten auf den Morgen warten!
    Schon längere Zeit hatte Julie nicht mehr an Eugeñio gedacht, doch nun, in dieser Situation wanderten ihre Gedanken zurück. Zurück zu ihm! Musste auch er nicht jedes Mal auf die Nacht warten? War er nicht tagsüber bewegungsunfähig? Der Gedanke daran schmerzte zusätzlich. Doch waren sie jetzt nicht in einer ähnlichen Situation? Der einzige Unterschied war die Tageszeit, auf die sie warten mussten!
    „Lasst uns versuchen, wenigstens ein wenig Schlaf zu finden. Wir können jetzt nichts für den Jungen tun. Aber wir werden morgen schneller vorankommen, wenn wir ausgeruht sind.“ sagte Bernhard in väterlichem Tonfall.
    Er hatte recht. Julie blickte zu ihm und sah, wie er am Boden kniete und zwei Decken ausbreitete. Seine Eigene und die von Kai. Es war offensichtlich, was der ältere Mann für Kai fühlte. Doch Julie empfand es nicht mehr als störend. Sie hätte sowieso nichts dagegen tun können. Warum auch? Julie dachte mittlerweile ganz anders über dieses Thema, als noch vor wenigen Tagen. Wenn hier zwei Menschen glücklich werden konnten, spielte es doch keine Rolle, ob das Paar nun aus Frau und Mann, oder eben aus zwei Männern bestand. Sie selbst könnte Kai sowieso niemals lieben. Eine Ewigkeit würde nicht ausreichen, um ihre Gefühle für Eugeñio vergessen zu können!
    Julie zwinkerte Bernhard zu, es sollte lustig sein, wirkte aber eher so, als wäre ihr Augenlid nur kurz zu schwer geworden und legte sich hin. Sie brauchte keine Decke. Das Gras war warm genug. So dauerte es auch nicht lange und sie schlief ein. In ihren Träumen sah sie sein Gesicht vor sich.
    *
    Die Sonne stand hoch am Himmel. Die Stadt litt ächzend unter der glühenden Hitze. Das Thermometer zeigte 34 Grad im Schatten. Eugeñio Rosé Royo spürte nichts davon. Er schlief. Sein Schlaf war sehr tief. Es war der Schlaf des Todes. Er lag auf mehreren weichen Decken, eine der Decken hatte er bis zum Kinn hochgezogen. Seine Hände lagen gefaltet auf seiner Brust. Sein Gesicht, starr und weiß. Bewegungslos lag er da. Kein Atem strömte aus seinen Lungen. Sein Herz war ruhig. Still. Kein Muskel ließ es arbeiten. Tot!
    Das Bett wurde von einem schwarzen, aus schwerem Tuch bestehenden Himmel verdeckt, der an Schienen, die an der Decke angebracht waren und das gesamte Bett umrundeten, befestigt war. Der Himmel schloss durch einen Mechanismus, der nur von der Bettinnenseite zu bedienen war. Jetzt waren sie blickdicht verschlossen. Genau wie die dunklen Seidenvorhänge an den Fenstern, die noch zusätzlich durch schwarze Jalousien geschützt waren. Die Zimmertür war genauso verriegelt, wie es die Haustür war. Jede der Türen hier besaß eine elektronische Verriegelung, die ebenfalls nur von innen zu bedienen war. Es war stockfinster in Eugeñios Heim. Niemand würde den Vampir hier stören! Fünf Stunden noch, bis die Sonne untergehen würde. Dann erst würde er erwachen. Er, der Fürst der Nacht, würde dann, genau

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