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Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Bair ihr einmal gesagt.
    Egwene schloß die Augen und konzentrierte sich ganz stark. Draußen. Sie befand sich draußen und blickte hinein. Kein Platz für etwas anderes in ihrem Geist. Draußen, und hineinblicken. Draußen, hineinblicken. Draußen!
    Sie öffnete erneut die Augen. Der Kampf strebte seinem Höhepunkt zu. Gawyns Klinge fuhr tief in Rands Brust, und als Rand zusammenbrach, glitt die Klinge wieder heraus und vollführte einen schimmernden Halbkreis. Rands Kopf purzelte über den Fußboden beinahe vor ihre Füße. Er blieb liegen, so daß seine Augen zu ihr aufblickten. Ein Schrei stieg bis in ihre Kehle auf, ein Schrei, den sie nicht unterdrücken konnte. Ein Traum. Lediglich ein Traum. Doch diese starren, toten Augen erschienen sehr real.
    Dann stand Gawyn vor ihr, und sein Schwert steckte wieder in der Scheide. Rands Kopf und Körper waren verschwunden. Gawyn faßte nach den Handschellen, die sie festhielten, und dann waren auch diese nicht mehr vorhanden.
    »Ich wußte, du würdest kommen«, hauchte sie und fuhr dabei zusammen. Sie war sie selbst! Sie konnte dem Traum nicht nachgeben, nicht einen Augenblick lang, sonst säße sie wirklich und wahrhaftig in der Falle.
    Lächelnd nahm Gawyn sie auf seine Arme. »Ich bin froh, daß du es gewußt hast«, sagte er. »Ich wäre früher gekommen, aber es war mir nicht möglich. Ich hätte dich niemals so lange in dieser Gefahr zurücklassen sollen. Kannst du mir verzeihen?«
    »Ich kann dir alles verzeihen.« Es gab jetzt zwei Egwenes. Eine schmiegte sich zufrieden in Gawyns Arme, während er sie durch den Korridor eines Palastes trug, dessen Wände mit bunten Wandbehängen und großen Spiegeln mit herrlich verzierten Goldrahmen geschmückt waren. Die andere ritt im Kopf der ersten mit und beobachtete.
    Das wurde langsam ernst. So sehr sie sich auch darauf konzentrierte, sich wieder draußen zu befinden, verblieb sie doch hier und beobachtete alles durch die Augen einer anderen Egwene. Schleunigst unterdrückte sie alle Neugier auf das, was Gawyn in bezug auf sie träumte. Diese Art von Anteilnahme war gefährlich. Sie sträubte sich gegen diesen Traum! Und doch änderte sich nichts.
    Der Korridor erschien ihr beinahe real, als sie ihn betrachtete, obwohl alles, was sie aus den Augenwinkeln sah, leicht verschwommen blieb. Ihr eigenes Spiegelbild erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie hätte sich gern umgedreht, um es zu betrachten, als sie vorbeikamen, doch sie war nur ein Passagier im Kopf der Frau aus Gawyns Traum. Sie war die Frau, deren Spiegelbild sie einen Moment lang gesehen hatte. Es gab keinen Zug an diesem Gesicht, auf den sie hätte deuten können und behaupten, er wiche von ihrem echten Gesicht ab. Trotzdem ergab das Ganze einen Eindruck... Schön, so konnte man sagen. Erstaunlich schön! Sah Gawyn sie etwa so?
    Nein! Keine Neugier! Draußen!
    Von einem Schritt zum nächsten wurde aus dem Korridor der von Blumen übersäte Abhang eines Hügels. Eine sanfte Brise trug ihr den starken Duft der Blüten zu. Die wirkliche Egwene fuhr innerlich zusammen. Hatte sie diese Änderung zuwege gebracht? Die Schranke zwischen ihr und der anderen wurde schwächer. Zornig konzentrierte sie sich erneut. Es war nicht wirklich; sie weigerte sich, dies alles als Wirklichkeit anzuerkennen; sie war sie selbst. Draußen. Sie wollte nach draußen und lediglich hineinblicken.
    Sanft legte Gawyn sie auf einen ausgebreiteten Umhang inmitten der Blumen, so, wie man es sich erträumt. Er kniete neben ihr nieder, strich ihr eine Haarsträhne von der Wange und streichelte mit seinen Fingerspitzen weiter bis zu ihrem Mundwinkel. Sich auf etwas zu konzentrieren, fiel ihr sehr schwer. Sie beherrschte wohl den Körper nicht, in dem sie zu Gast war, doch sie teilte seine Gefühle, und seine Fingerspitzen schienen beinahe Funken in ihr auszulösen.
    »Mein Herz ist dein«, murmelte er leise, »meine Seele, alles von mir.« Sein Mantel war scharlachrot und kunstvoll mit goldenen Blättern und silbernen Löwen bestickt. Er gestikulierte auf grandiose Weise, wobei er seinen Kopf oder seine Brust berührte. »Wenn ich an dich denke, ist kein Platz mehr für andere Gedanken. Dein Duft erfüllt mein Gehirn und bringt mein Blut zum Wallen. Mein Herz hämmert so, daß ich nicht hören würde, wenn die ganze Welt sich spaltete. Du bist meine Sonne und mein Mond und meine Sterne, mein Himmel und meine Erde, kostbarer für mich als das Leben oder der Atem oder...« Mit einem Mal hielt er inne und

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