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Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Antwort darauf. Die andere Frau nickte ein wenig traurig, weil sie verstand oder ihr zustimmte oder beides.
    Die Tür wurde geöffnet, und eine stämmige Frau in dunklem Tuch kam mit einem Silbertablett mit drei Silberbechern und einem hohen, silbernen Weinkrug herein. Ihr Gesicht wirkte verbraucht - das Gesicht einer Landfrau -, aber ihre dunklen Augen glänzten, als sie Egwene und Elayne nacheinander genau betrachtete. Egwene konnte sich nur kurz darüber wundern, daß die Frau trotz ihres groben Gewandes eine silberne Halskette trug, denn hinter ihr betrat Nynaeve den Raum und schloß die Tür. Sie mußte wie der Wind gelaufen sein, weil sie auch noch Zeit gefunden hatte, das Gewand der Aufgenommenen gegen ein dunkelblaues, am Halsausschnitt und am Saum mit goldenen Verzierungen besticktes Seidengewand einzutauschen. Es war nicht annähernd so tief ausgeschnitten wie Berelains Gewand, aber noch immer erheblich tiefer, als Egwene es bei Nynaeve zu sehen erwartet hatte.
    »Dies ist Marigan«, sagte Nynaeve und warf ihren Zopf mit geübter Bewegung über die Schulter. Der Große Schlangenring schimmerte an ihrer rechten Hand golden.
    Egwene wollte gerade fragen, warum sie den Namen so ausdrücklich betonte, erkannte aber dann jäh, daß deren Halskette zu dem Armband an Nynaeves Handgelenk paßte. Sie konnte nicht umhin, die Frau anzustarren. Sie sah sicherlich nicht annähernd so aus, wie sich Egwene eine Verlorene vorgestellt hätte. Sie sprach es aus, und Nynaeve lachte.
    »Sieh her, Egwene.«
    Sie schaute nicht nur hin - sie sprang fast von ihrem Stuhl auf und umarmte tatsächlich Saidar. Als Nynaeve zu sprechen begann, hatte das Schimmern auch Marigan umhüllt, nur einen Augenblick lang, und bevor es wieder schwand, hatte sich die Frau in dem einfachen Wollkleid vollkommen verändert. Es waren eigentlich nur kleine Veränderungen, aber sie bewirkten, daß die Frau völlig anders aussah, eher hübsch als schön, aber überhaupt nicht mehr verbraucht -eine stolze, sogar stattliche Frau. Nur die Augen waren gleich geblieben, glänzten noch immer. Egwene konnte jetzt glauben, daß diese Frau Moghedien war.
    »Wie?« fragte sie nur Sie hörte aufmerksam zu, während Nynaeve und Elayne erklärten, wie man Verkleidungen wob und Gewebe umkehrte, aber sie betrachtete dabei Moghedien. Sie war stolz, von sich selbst erfüllt, und ruhte fest in sich.
    »Bringt sie zurück«, sagte Egwene, als die Erläuterungen geendet hatten. Wieder blieb das Schimmern Saidars nur kurz bestehen, und es waren keine sichtbaren Gewebe mehr erkennbar, als es verging. Moghedien war erneut eine einfache und verbrauchte Frau, eine Landfrau, die ein hartes Leben geführt hatte und älter aussah, als sie war. Die schwarzen Augen blitzten Egwene haßerfüllt und vielleicht auch voller Abscheu vor sich selbst an.
    Als Egwene erkannte, daß sie Saidar noch immer festhielt, fühlte sie sich einen Moment töricht. Weder Nynaeve noch Elayne hatten die Quelle umarmt. Aber andererseits trug Nynaeve dieses Armband. Egwene erhob sich, ohne ihren Blick von Moghedien abzuwenden, und streckte die Hand aus. Nynaeve schien bestrebt, das Armband von ihrem Handgelenk loszuwerden, was Egwene gut verstehen konnte.
    Nynaeve gab ihr das Armband und sagte: »Stellt das Tablett auf den Tisch, Marigan. Und benehmt Euch gut. Egwene hat bei den Aiel gelebt.«
    Egwene drehte das Silberarmband in den Händen und versuchte, nicht zu erschaudern. Eine hübsche Arbeit, so geschickt in Abschnitte geteilt, daß es fast massiv wirkte. Sie hatte sich einst am anderen Ende eines A'dam befunden. Ein Seanchan-Gegenstand, mit einem Silberband, das die Halskette und das Armband verband, aber dennoch das gleiche war. Ihr Magen rebellierte, wie er es nicht mehr getan hatte, seit sie dem Saal gegenübergestanden hatte. Sie schloß das Silber bedächtig um ihr Handgelenk. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was zu erwarten war, aber sie wäre dennoch beinahe zusammengezuckt. Die Empfindungen der anderen Frau, und auch ihr körperlicher Zustand, lagen in einem abgeschiedenen Winkel ihres Geistes vor Egwene ausgebreitet. Sie sah hauptsächlich bebende Angst, und der Abscheu vor sich selbst, den sie zu erkennen geglaubt hatte, war in fast ebenso starkem Maße vorhanden. Moghedien gefiel ihre gegenwärtige Erscheinung nicht. Vielleicht gefiel sie ihr besonders nach der kurzen Rückkehr in ihre eigene Gestalt nicht mehr.
    Egwene dachte daran, wen sie ansah - eine der Verlorenen, eine

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