Herr des Chaos
Deshalb waren vor allem Berittene zu sehen. Die Helme der Tairener hatten breite Ränder und einen Wulst, der von vorn nach hinten verlief. Brustharnische waren über das Wams mit seinen bauschigen Ärmeln geschnallt - alles natürlich in den Farben ihres jeweiligen Lords. Die Soldaten aus Cairhien trugen meist ein dunkles Wams, verbeulte Harnische und glockenförmige Helme, die so ausgeschnitten waren, daß das Gesicht des Mannes sichtbar war. Wimpel, die man als Cons bezeichnete, an kurzen Stöcken, die man auf dem Rücken bei einigen Männern festgeschnallt hatte, bezeichneten niedrigere Adlige aus Cairhien und jüngere, nicht erbberechtigte Söhne aus Adelsfamilien, manchmal aber auch lediglich Offiziere, obwohl natürlich nur wenige Gemeine aus Cairhien einen solchen Rang erreichten. In Tear verhielt es sich ebenso. Die Angehörigen der beiden Nationen blieben jedoch unter sich. Während die Tairener häufig nachlässig im Sattel saßen und grundsätzlich jeden aus Cairhien hämisch angrinsten, der in ihre Nähe kam, saßen die gewöhnlich kleineren Männer aus Cairhien steif und hoch aufgerichtet im Sattel, als wollten sie mit aller Macht größer erscheinen.
Sie ignorierten die Tairener ihrerseits vollständig. Sie hatten mehr als einen Krieg gegeneinander ausgetragen, bevor Rand sie dazu brachte, gemeinsam in diesen Krieg zu ziehen.
Grob gekleidete, ergraute alte Männer und auch ein paar, die fast noch Knaben waren, stöberten mit dicken Stöcken zwischen den Zelten herum, und gelegentlich scheuchte der eine oder andere von ihnen eine Ratte auf und erlegte sie mit seinem Knüppel. Dann wurde sie den anderen hinzugefügt, die bereits an seinem Gürtel baumelten. Ein Kerl mit großer Nase in einer speckigen Lederweste und ohne Hemd, Bogen in der Hand und Köcher an der Hüfte, legte eine lange Schnur auf einen Tisch vor einem der Zelte, an die er eine Menge erlegte Krähen und Raben mit den Füßen festgebunden hatte, und erhielt dafür einen Beutel Geld von einem gelangweilt dreinblickenden tairenischen Soldaten, der ohne Helm hinter dem Tisch saß. Nur wenige soweit im Süden glaubten daran, daß die Myrddraal tatsächlich Ratten und Raben und ähnliches als Spione benützten - Licht, von denjenigen abgesehen, die sie wirklich schon gesehen hatten, glaubte hier im Süden auch kaum einer überhaupt an die Existenz von Myrddraal oder Trollocs! -, aber wenn der Lord Drache das Lager von solchen Schädlingen sauberhalten wollte, kamen sie diesem Wunsch gern nach, vor allem, weil der Lord Drache sie für jeden Kadaver mit Silber entlohnte.
Hochrufe machten sich natürlich jetzt breit, denn wer würde sonst mit einer Eskorte von Töchtern des Speers und mit dem Drachenszepter in der Hand durch das Lager gehen. »Das Licht leuchte dem Lord Drachen!« und »Die Gnade des Lichts dem Lord Drachen!« und Ähnliches erklang von allen Seiten. Bei vielen schien das sogar ernst gemeint, obwohl das natürlich schwer festzustellen war, wenn alle aus voller Kehle schrien. Andere allerdings starrten nur mit steinerner Miene herüber oder ließen ihre Pferde wenden und ritten - nicht zu schnell - davon. Schließlich wußte man ja nicht, wann er vielleicht einen Blitz vom Himmel herabrief oder einen Spalt in der Erde öffnete. Männer, die mit der Macht umgehen konnten, wurden am Ende verrückt, und wer kann schon voraussagen, was ein Wahnsinniger anstellt oder wann? Ob sie nun jubelten oder nicht, musterten sie doch die Töchter mißtrauisch. Nur wenige hatten sich daran gewöhnen können, daß Frauen wie die Männer Waffen trugen, und außerdem waren sie Aiel, und jeder wußte, daß die Aiel genauso unberechenbar waren wie Verrückte.
Der Lärm reichte nicht aus, um alles zu übertönen, was die Töchter hinter Rand sagten.
»Er hat einen feinen Sinn für Humor. Wer ist das?« Das kam von Enaila.
»Er heißt Leiran«, antwortete Somara. »Einer der Cosaida Chareen. Du glaubst, er habe Humor, weil er deinen Scherz für besser hielt als seinen eigenen? Er sieht aber tatsächlich so aus, als habe er kräftige Hände.« Mehrere der Töchter glucksten vor Vergnügen.
»Habt Ihr Enaila nicht auch prachtvoll gefunden, Rand al'Thor?« Sulin schritt neben ihm einher. »Ihr habt nicht gelacht. Ihr lacht überhaupt niemals. Manchmal glaube ich, Ihr habt überhaupt keinen Sinn für Humor.«
Rand blieb auf dem Fleck stehen und fuhr sie derart plötzlich an, daß mehrere zu ihren Schleiern griffen und sich umblickten, was ihn so
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