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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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- der Torheit.

6
     
     
    Nach dem Tode Brahmas brach für die Himmlische Stadt eine Zeit des Aufruhrs an. Mehrere Götter wurden sogar aus dem Himmel ausgestoßen. Es war eine Zeit, in der beinahe jeder fürchtete, daß man ihn für einen Akzelerationisten halten könnte; und wie das Schicksal spielte, wurde beinahe jeder irgendwann während dieser Zeitspanne einmal für einen Akzelerationisten gehalten. Obwohl Sam, der Groß-Beseelte, tot war, hieß es, sein Geist sei noch immer am Leben und verspotte den Himmel. In den Tagen der Untreue und Ränke, die der Großen Schlacht vorangingen, verbreitete sich dann das Gerücht, daß vielleicht mehr als nur sein Geist überlebt haben könnte...
     
    Wenn die Sonne des Leidens versunken ist,
    kommt der Friede,
    oh Herr der stillen Sterne,
    kommt der Friede der Schöpfung,
    zu jenem Ort, an dem sich grau das Mandala dreht.
    Der Narr sagt zu sich selbst,
    daß seine Gedanken nur Gedanken sind...
    Saraha (98-99)
     
     
    E s war früh am Morgen. In der Nähe des Purpurlotos-Teichs im Garten der Freuden lag vor der Statue der blauen, Vina- spielenden Göttin - Brahma.
    Das Mädchen, das ihn fand, glaubte zuerst, er ruhe nur; seine Augen waren noch offen. Schon einen Moment später erkannte sie aber, daß er nicht mehr atmete. Sein Gesicht war verzerrt und in der Verzerrung erstarrt.
    Sie zitterte, denn sie erwartete das Ende des Universums. Gott war tot, und sie hielt das für die natürliche Folge. Einige Zeit verging, dann kam sie zu der Überzeugung, daß die innere Bindekraft der Dinge vielleicht doch ausreichte, das Universum noch eine weitere Stunde zusammenzuhalten; wenn das aber so war, schien es angebracht, die Nachricht vom bevorstehenden Yuga jemandem zu überbringen, der eher geeignet war, sie zu bewältigen.
    Sie erzählte es Brahmas Erster Konkubine, die sich zunächst selbst überzeugen wollte, dem Mädchen dann zustimmte, daß ihr Herr tatsächlich nicht mehr lebte, und das Wort an die Statue der blauen Göttin richtete, die sogleich auf der Vina zu spielen begann. Weiter sandte sie Botschaften an Wischnu und Schiwa, daß sie unverzüglich zum Pavillon kommen sollten.
    Sie kamen, und Ganescha war bei ihnen.
    Sie untersuchten die sterblichen Überreste, stimmten überein, daß nichts mehr zu retten war, und befahlen den beiden Frauen bei Androhung ihrer Hinrichtung in ihre Unterkünfte zu gehen und dort zu bleiben.
    Dann berieten sie sich.
    »Wir brauchen so schnell wie möglich einen neuen Schöpfer«, sagte Wischnu. »Habt ihr Nominierungsvorschläge?«
    »Ich schlage Ganescha vor«, sagte Schiwa.
    »Ich lehne ab«, sagte Ganescha.
    »Warum?«
    »Ich habe keine Ambitionen, in der vordersten Reihe zu stehen. Ich würde auch weiterhin viel lieber irgendwo im Hintergrund bleiben.«
    »Dann müssen wir die alternativen Möglichkeiten überdenken. Aber schnell muß es gehen.«
    »Wäre es nicht vernünftiger«, fragte Wischnu, »zunächst einmal die Ursache für das, was geschehen ist, zu ermitteln, ehe wir eine neue Wahl treffen?«
    »Nein«, sagte Ganescha. »Unsere erste Pflicht ist unbedingt die Ernennung eines Nachfolgers. Selbst die Leichenöffnung muß solange warten. Der Himmel darf niemals ohne einen Brahma sein.«
    »Was meinst du zu einem der Lokapalas?«
    »Vielleicht.«
    »Yama?«
    »Nein. Er ist zu ernst, zu gewissenhaft - ein Techniker, kein Verwalter. Außerdem glaube ich, daß er emotional nicht ausgeglichen genug ist.«
    »Kubera?«
    »Zu gescheit. Kubera macht mir Angst.«
    »Indra?«
    »Zu halsstarrig.«
    »Und Agni?«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    »Dann Krischna?«
    »Zu leichtsinnig, niemals nüchtern.«
    »Wen würdest du vorschlagen?«
    »Was ist gegenwärtig unser größtes Problem?« »Ich habe nicht den Eindruck, daß wir gegenwärtig irgendwelche großen Probleme haben«, sagte Wischnu.
    »Es wäre aber klüger, wenn wir gerade jetzt wenigstens eins hätten«, sagte Ganescha. »Ich glaube, unser größtes Problem ist der Akzelerationismus. Sams Rückkehr in den Himmel hat vieles aufgerührt und klares Wasser trübe gemacht.«
    »Ja«, sagte Schiwa.
    »Akzelerationismus? Wozu sollen wir auf einen toten Hund einschlagen?«
    »Aber er ist ja nicht tot. Nicht auf der Welt, nicht unter den Menschen. Und über den Kampf gegen den Akzelerationismus können wir zumindest eine oberflächliche Solidarität in der Stadt wiedergewinnen und die Aufmerksamkeit von dem Wechsel ablenken, der jetzt innerhalb der Trimurti stattfindet. Es sei

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