Herr des Lichts
Schwarz deckte sich wieder ab, schüttelte seinen Kopf, parierte eine zweite Attacke und stieß, sich vorwärtswerfend, zu, nur um selbst pariert zu werden.
»Das Todesbad schützt also Eure Kehle«, sagte Yama. »Aber ich werde anderswo Einlaß finden in Euren Körper.« Und sein Säbel sang ein schnelleres Lied, als er einen tief angesetzten Stoß durchzubringen versuchte.
Mit der Übung von Jahrhunderten entfesselte Yama nun die ganze Tollheit seiner Klinge. Er spielte die Fechtkünste vieler Epochen aus. Doch der andere begegnete seinen Angriffen, parierte den Schlagwirbel mit weiten und immer weiteren Ausfällen, wurde dabei wohl immer schneller zurückgedrängt, geriet aber nicht in offene Bedrängnis, sondern konnte, aus der Abwehr heraus, sogar noch einzelne Vorstöße führen.
Weiter wich er zurück, mit dem Rücken gegen den Fluß gewandt. Da verminderte Yama seinen Druck und erklärte:
»Als Ihr vor einem halben Jahrhundert für kurze Zeit mein Schüler wart, sagte ich zu mir, >Dieser Mann hat das Zeug zu einem Meistere. Und ich hatte recht damit, Rild. Ihr seid vielleicht der größte Fechter in all den Zeitaltern, an die ich mich erinnern kann. Wenn ich Euer Können sehe, bin ich fast geneigt, Euch Eure Abtrünnigkeit zu vergeben. Es ist wirklich ein Jammer.«
Er führte einen Brusthieb, fuhr im letzten Augenblick seitlich durch Rilds Deckung und traf den anderen mit der Säbelschneide hoch am Handgelenk.
Zurückspringend, sich wild wehrend und nach Yamas Kopf stoßend, kam der Mann in Schwarz schließlich an das eine Ende des Baumstamms, der über der Klamm lag, in der der Fluß rauschte.
»Eure Hand also auch, Rild! Wirklich, die Göttin ist verschwenderisch mit ihrem Schutz. Aber wie steht es damit?«
Der Stahl kreischte, als er in eine Bindung geriet, und ritzte in den Bizeps des Schwarzgekleideten, als die Klingen wieder voneinander rutschten.
»Aha! Da haben wir also eine Stelle, die die Göttin ausgelassen hat!« rief er. »Suchen wir die anderen!«
Ihre Klingen kreuzten sich und lösten sich wieder, fintierten, stießen vor, parierten, ripostierten.
Yama begegnete einem kompliziert geführten Angriff mit einem Stoppstoß. Seine längere Waffe schnitt wieder über den Oberarm des Widersachers.
Der Mann in Schwarz trat auf den Stamm und führte einen gefährlichen Wischer zum Kopf des Gottes, den Yama jedoch zur Seite schlagen konnte. Noch härter wurden jetzt die Angriffe Yamas, und Rild wurde auf den Stamm hinausgetrieben, gegen den Yama dann plötzlich trat.
Der andere sprang zurück und landete auf dem anderen Ufer. Kaum hatten seine Füße den Boden berührt, als er ebenfalls gegen den Stamm trat, der sich zu bewegen begann.
Bevor Yama draufsteigen konnte, rollte der Baum aus seiner Lagerung und krachte hinunter in den Fluß, wo er noch einen Augenblick lang tanzte, ehe ihn der Wasserlauf westwärts trug.
»Es ist nur ein Sprung von zwei oder zweieinhalb Metern, Yama!« schrie der andere. »Los, komm herüber!«
Der Todesgott lächelte. »Verschwendet Euren Atem nicht, Rild, solange Ihr ihn noch habt«, erklärte er. »Atem ist die Gabe der Götter, die am wenigsten gewürdigt wird. Keiner singt dem Atem Hymnen, keiner preist die gute Luft, die König und Bettler, Herr und Hund gleichermaßen atmen. Aber, oh, was es bedeutet, ohne Luft zu sein! Genießt jeden Atemzug, Rild, als ob es Euer letzter wäre - denn dieser letzte Atemzug steht Euch bevor!«
»Es heißt, daß Ihr in diesen Dingen erfahren seid, Yama«, sagt der, den man Rild und Sugata genannt hatte. »Es heißt, Ihr seid ein Gott, dessen Königreich der Tod ist und dessen Wissen über den Horizont der Sterblichen hinausreicht. Deshalb möchte ich Euch - da unser Kampf ruht - eine Frage stellen.«
Yama lächelte diesmal nicht sein spöttisches Lächeln, wie er es zu allen vorhergehenden Äußerungen seines Widersachers getan hatte. Diese Bitte hatte einen ritualen Anstrich.
»Was wollt Ihr von mir wissen? Ich gewähre Euch diesen letzten Wunsch und will Eure Frage beantworten.«
Daraufhin sang der, den man Rild und Sugata genannt hatte, die uralten Worte aus dem Kathaka-Upanischad:
»>Uneins ist man über den Mann, der tot ist. Einige sagen er ist noch. Andere sagen, er ist nicht mehr. Darüber nun wünsche ich Gewißheit durch Euren Rat.<«
Yama erwiderte in den alten Worten: »>Selbst die Götter sind uneins darüber. Nicht leicht ist es, den Tod zu verstehen, denn die Natur des Atman ist geheim. Fragt mich
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