Herr des Lichts
Nachtmahl auf sein Zimmer zu bringen und ließ nach einem Handelsherrn aus dem Ort schicken.
Er aß langsam, aber ohne den Speisen besondere Beachtung zu schenken, und als er fertig war, wurde der Kaufmann hereingeführt.
Der Mann trug einen Umhang voll von Musterstücken, aus denen der Wanderer schließlich einen Säbel mit langer, gekrümmter Klinge und einen kurzen, geraden Dolch auswählte und in seine Schärpe steckte.
Danach trat er in den Abend hinaus und schritt die von Furchen durchzogene Hauptstraße der Stadt hinunter. In den Türeingängen hielten sich Liebende umschlungen. Er kam an einem Haus vorbei, in dem Trauernde einen Toten beklagten. Ein Bettler humpelte einen halben Block weit hinter ihm her, bis der Verfolgte sich umwandte, ihm in die Augen sah und sagte: »Du bist nicht lahm.« Der Bettler tauchte daraufhin eilig in einer vorbeigehenden Gruppe von Pilgern unter. Hoch droben zersprangen Feuerwerkskörper und zogen, fallend, lange kirschrote Streifen vom Himmel zur Erde. Vom Tempel her ertönte der Klang der Kürbishörner, die die Nagaswaram-Musik spielten. Aus einer Türöffnung stolperte ein Mann auf ihn zu und streifte ihn. Als Yama die Hand dieses Mannes auf seiner Börse fühlte, brach er ihm das Handgelenk.
Der Verletzte stieß einen Fluch aus und rief um Hilfe. Ein Rippenstoß warf ihn in den Entwässerungskanal neben der Straße, und ein einziger drohender Blick vertrieb die zwei Gefährten, die auf den Ruf hin sofort herbeigestürzt waren.
Schließlich erreichte er den Tempel, und nach einem Augenblick des Zögerns ging er hinein.
Er betrat den inneren Hof zusammen mit einem Priester, der eine Statuette aus einer Außennische hineintrug.
Er ließ seinen Blick über den Hof schweifen und ging dann schnell zu dem Platz, wo die Göttin Kali ihren Altar hatte. Lange musterte er das Standbild, dann zog er seinen Krummsäbel und legte ihn ihr zu Füßen. Als er ihn wieder aufhob und sich zum Gehen wandte, bemerkte er, daß der Blick des Priesters auf ihm ruhte. Er nickte dem Mann zu, der sich sogleich näherte und ihm einen guten Abend wünschte.
»Guten Abend, Priester«, erwiderte er.
»Möge Kali Eure Klinge segnen, Krieger.«
»Ich danke Euch - sie hat es getan.«
Der Priester lächelte. »Ihr sprecht, als ob Ihr das mit Sicherheit wüßtet.«
»Und das ist vermessen von mir, eh?«
»Nun, es ist - nicht sehr bescheiden.«
»Wie dem auch sei - ich fühlte jedenfalls, wie ihre Kraft über mich kam, als ich vor ihrem Altar stand.«
Dem Priester schauderte es. »Ich sage es trotz meines Amtes«, erklärte er, »daß das eine Kraft ist, ohne die ich sehr gut auskommen kann.«
»Fürchtet Ihr ihre Macht?«
»Ich will es so ausdrücken«, sagte der Priester, »trotz der Hoheit der Göttin wird der Altar der Kali nicht so häufig besucht wie die Schreine der Lakschmi, Sarasvati, Schakti, Sitala, Ratri und der anderen weniger furchteinflößenden Göttinnen.«
»Aber Kali ist größer als sie alle.«
»Und schrecklicher.«
»So? Trotz ihrer Stärke ist sie eine gerechte Göttin.«
Der Priester lächelte. »Nennt mir einen, der einige Jahrzehnte gelebt hat und noch nach Gerechtigkeit verlangt, Krieger! Ich für meinen Teil finde Gnade unendlich verlockender, und einer Gottheit der Vergebung will ich jeden Tag opfern.«
»Gut gewählt«, sagte der andere, »aber ich bin, wie Ihr schon sagtet, ein Krieger. Meine eigene Natur ähnelt der ihren. Wir denken gleich - die Göttin und ich. In den meisten Fragen stimmen wir überein. Wenn wir es einmal nicht tun, rufe ich mir ins Gedächtnis, daß sie eine Frau ist.«
»Ich lebe hier«, sagte der Priester, »und doch spreche ich nicht so vertraulich über die Götter, deren Statuen unter meiner Obhut stehen, wie ihr.«
»Vielleicht nicht in der Öffentlichkeit«, sagte der andere. »Redet mir nicht von Priestern. Ich habe mit vielen zusammengesessen und getrunken und immer erfahren müssen, daß sie ebenso blas- phemisch sind wie der Rest der Menschheit.«
»Alles hat seine Zeit und seinen Ort«, sagte der Priester und warf einen Blick über seine Schulter auf Kalis Statue.
»Gut, gut. Aber sagt mir, warum ist der Sockel des Yama- Schreins nicht gesäubert worden. Es liegt Staub darauf.«
»Er ist erst gestern abgewaschen worden, aber seitdem sind schon wieder sehr viele vor den Altar getreten, und einige Spuren davon sind zurückgeblieben.«
Der andere lächelte. »Warum liegen dann keine Gaben zu seinen Füßen, und warum sind
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