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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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inmitten eines sehr hohen Berglands, der Ratnagiri-Berge, Es liegt dort jahrein, jahraus Schnee, und Regenbogen hängen wie bunter Pelz über dem Rücken der Eiszapfen, die aus den Frostkappen der Felsen sprießen. Die Luft ist schneidend wie ein Schwert. Der Himmel ist hell wie das Auge der Katze.
    Kaum ein Fuß ist je über den Pfad geschritten, der zum Höllenschacht führt. Und von denen, die hier gegangen sind, wollten die meisten sich nur überzeugen, ob es die große Tür wirklich gab; doch wenn sie nach Hause zurückgekehrt waren und berichteten, daß sie sie gesehen hatten, verspottete man sie für gewöhnlich.
    Verräterische Kratzspuren auf der Schloßplatte geben Zeugnis davon, daß einige wenige sich sogar Eintritt verschaffen wollten. Die nötige Ausrüstung, um die Tür aufzubrechen, konnte von ihnen jedoch nicht herangeschafft und angemessen eingesetzt werden, denn der Pfad nach Höllenschacht ist die letzten hundert Meter seines Anstiegs keine zehn Zoll breit; und auf dem Felsabsatz vor dem Tor, dem Rest einer ehemals breiten Felsbank, können vielleicht sechs Männer stehen, aber auch nur, wenn sie sich dicht zusammendrängen.
    Es heißt, daß Pannalal-der-Weise, nachdem er seinen Geist durch Meditation und verschiedene asketische Übungen geschärft hatte, die Bedienung des Schlosses zu erahnen vermochte und in den Höllenschacht stieg. Einen Tag und eine Nacht verbrachte er unter dem Berg. Danach war aus dem Weisen - Pannalal- der-Verrückte geworden.
    Fünf Tagesreisen von dem Gipfel entfernt, der Channa heißt und in den die große Tür eingesetzt ist, liegt ein Marktflecken. Er gehört zum Reich von Malwa, das im äußersten Norden liegt. Dieses Gebirgsdorf, das dem Channa am nächsten liegt, trägt selbst keinen Namen - denn seine wilden und freiheitsliebenden Einwohner haben kein besonderes Interesse daran, daß ihr Ort in den Karten der fürstlichen Steuereintreiber erscheint. Von dem Fürsten ist nicht mehr zu berichten, als daß er von mittlerer Größe und mittleren Jahren ist, schlau, dicklich, weder fromm noch mehr als durchschnittlich berühmt. Doch ist er fabelhaft reich. Reich, weil er seinen Untertanen hohe Steuern auferlegt. Wenn seine Untertanen zu klagen beginnen und Gerüchte von einem Aufstand sich im Reich verbreiten, erklärt er einem benachbarten Radscha den Krieg und verdoppelt die Abgaben. Wenn der Krieg sich nicht günstig für ihn entwickelt, läßt er einige Generale hinrichten und seinen Friedensminister einen Vertrag aushandeln. Wenn er sich durch Zufall besonders gut entwickelt, erzwingt er Tribut für die angeblichen Vergehen des Feindes, die er zum Anlaß des Kriegszugs genommen hat.
    Im allgemeinen aber enden die Kriege mit einem Waffenstillstand - die Untertanen sind müde und fügen sich in die hohen Steuerforderungen. Der Name des Radscha ist Videgha, und er hat viele Kinder. Er liebt Grak-Vögel, die man dazu abrichten kann, unflätige Lieder zu singen, und Schlangen, denen er gelegentlich die Grak-Vögel zum Fraß vorwirft, die keine Melodie gelernt haben; er liebt auch das Würfelspiel. Kinder liebt er dagegen nicht besonders.
    Hinter dem großen Portal hoch oben in den Bergen, im nördlichsten Winkel des Reiches Videghas, nördlicher liegt kein anderes Menschenreich mehr, beginnt der Höllenschacht. Dort beginnt er, und er windet sich durch das Herz des Berges Channa in die Tiefe, bricht wie ein Korkenzieher in die gewaltigen Höhlungen ein, die kein Mensch je auf Karten verzeichnet hat, und stößt weit hinunter unter die Bergkette der Ratnagiris. Seine äußersten Gänge reichen bis in die tiefsten Tiefen der Welt.
    An dieses Portal kam der Wanderer.
    Er war einfach gekleidet, und er reiste allein. Er schien genau zu wissen, wohin er ging und was er wollte.
    Er kletterte den Saumpfad zur Spitze des Channa hinauf, kroch wie ein Insekt über das steinerne Antlitz des Berges.
    Der Morgen war schon fast verstrichen, als er endlich sein Ziel erreichte - das Tor.
    Als er davon stand, hielt er einen Augenblick rastend inne, nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und lächelte.
    Dann setzte er sich hin, lehnte sich mit dem Rücken an das Tor und frühstückte ausgiebig. Als er damit fertig war, warf er die Blätter, in die das Essen eingewickelt gewesen war, über die Felsenkante und beobachtete ihren von wechselnden Luftströmungen getragenen torkelnden Fall, bis sie schließlich außer Sicht gerieten. Dann

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