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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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gearbeitet?«
    »Ja«, sagte Yama, und seine Augen brannten unter den dunklen Brauen.
    »Und was ist deine Erklärung? Jemand wird mit einem abnormalen Gehirn geboren, später wird seine Psyche auf ein normales Gehirn übertragen, und trotzdem bleiben die abnormen Fähigkeiten bei dieser Übertragung erhalten? Wie ist das möglich?«
    »In Wirklichkeit hat jedes Individuum nur ein einziges Körperbild, das seinem Wesen nach sowohl elektrisch als auch chemisch ist. Nach einer Inkarnation beginnt es sofort damit, seine neue physiologische Umgebung zu verändern. Es reagiert auf den neuen Körper wie auf eine Krankheit und versucht ihn zu heilen, indem es ihn wieder in den alten Körper verwandelt. Wenn der Körper, den du jetzt besitzt, physisch unsterblich wäre, würde er eines Tages deinem ursprünglichen Körper ähnlich sehen. «
    »Interessant.«
    »Deshalb sind auch die mitübertragenen Kräfte anfangs noch schwach entwickelt. Sie werden erst stärker, wenn dein Körperbild eine Zeitlang auf den neuen Leib eingewirkt hat. Es ist am besten, wenn man eine charakteristische Fähigkeit kultiviert und eventuell auch mechanische Hilfen benutzt.«
    »So ist das. Ich habe oft darüber nachgedacht. Danke. Übrigens versuch es nur weiter mit deinem Todesblick. Er ist schmerzhaft, weißt du. Soviel also dazu. Und jetzt zu der angekündigten Predigt: Ein stolzer und überheblicher Mann, einer wie du, mit zugegeben bewundernswerten didaktischen Fähigkeiten erhielt einmal einen Forschungsauftrag auf dem Gebiet irgendeiner entstellenden und langsam zum Tode führenden Krankheit. Eines Tages zog er sich die Krankheit selber zu. Da er noch kein Mittel dagegen entwickelt hatte, ging er hin, schaute in den Spiegel und sagte: >Aber mir steht sie gut.< Du bist so ein Mann, Yama. Du versuchst nicht, deinen Zustand zu bekämpfen. Im Gegenteil, du bist noch stolz darauf. Mit deiner Wut hast du dich verraten, und es ist die Wahrheit, wenn ich sage, daß der Name deiner Krankheit Kali ist. Du würdest nicht denen, die es nicht wert sind, die Macht überlassen, wenn diese Frau dich nicht darum gebeten hätte. Ich kenne sie noch von früher, und ich bin mir sicher, daß sie sich nicht verändert hat. Sie kann einen Mann nicht lieben. Sie liebt nur die, die für sie das Chaos entfachen. Wenn du einmal aufhörst, Ihren Zwecken zu dienen, wird sie dich fallen lassen, Todesgott. Ich sage das nicht, weil wir Feinde sind, sondern sozusagen von Mann zu Mann. Ich kenne sie. Glaub mir, ich kenne sie wirklich. Vielleicht ist das Unglück das, daß du niemals richtig jung warst, Yama, und in den Tagen des Frühlings nicht die erste Liebe erlebt hast. Die Moral meiner Predigt von diesem kleinen Berg herab ist also die auch ein Spiegel zeigt dir nicht dein wahres Bild, wenn du es nicht sehen willst. Stell dich ein einziges Mal gegen sie, nur in einer unbedeutenden Angelegenheit, um die Wahrheit meiner Worte zu erproben, und du wirst sehen, wie schnell sie reagiert und auf welche Weise. Was wirst du tun, wenn deine eigenen Waffen gegen dich gerichtet werden, Tod?«
    »Bist du nun fertig?« fragte Yama.
    »In etwa, ja. Eine Predigt ist eine Warnung, und du bist gewarnt.«
    »Ich kenne deine Kraft nicht, Sam, aber ich sehe, daß mein Todesblick dir im Augenblick nichts anhaben kann. Du kannst dich glücklich schätzen, daß ich geschwächt bin.«
    »Und daß ich das tue, denn mein Kopf zerspringt mir fast. Verfluchte Augen!«
    »Eines Tages wirst du deine Kraft wieder nötig haben, und selbst, wenn sie dich auch dann vor meinem Blick schützt, wirst du an jenem Tag sterben. Wenn nicht durch meine Augen, dann durch meine Klinge.«
    »Wenn das eine Herausforderung ist, nehme ich sie nicht an. Ich rate dir, meine Worte nachzuprüfen, bevor du versuchst, dein Versprechen wahr zu machen.«
    Inzwischen war der Sand weit über Yamas Knie gestiegen.
    Sam seufzte und kletterte von seinem Felsensitz herunter.
    »Es gibt nur einen freien Pfad zu diesem Felsen, und ich werde ihm jetzt folgen und fortgehen. Zuvor will ich dir aber sagen, wie du dein Leben retten kannst, wenn du nicht zu stolz bist, dies anzunehmen.
    Ich habe den Mönchen Anweisung gegeben, daß sie zu meiner Unterstützung hierherkommen, sobald sie einen Hilferuf hören. Ich habe dir vorher schon gesagt, daß ich nicht um Hilfe rufen würde, und das stimmt. Wenn du allerdings mit deiner kraftvollen Stimme um Hilfe zu rufen beginnst, werden sie hier sein, bevor du sehr viel tiefer eingesunken bist.

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