Herr des Lichts
Und immer entsteht aus der Reibung dieser Dinge etwas, das du den Fluch des Menschen genannt und verspottet hast - Schuld!
Du mußt wissen, daß unser gemeinsamer Weg in dem einen Körper kein Weg war, auf dem sich der Verkehr nur in einer Richtung bewegt. So wie mein Wille sich an dein Tun angepaßt hat, wie ich nicht immer ohne Mutwillen an deinen Handlungen teilnahm so hat sich deine Einstellung an meinen Abscheu vor einigen deiner Taten angepaßt. Du hast das kennengelernt, was man Schuld nennt, und von nun an wird dieses Schuldgefühl dich wie ein Schatten überallhin begleiten. Deshalb hast du keinen Gefallen mehr an dieser Art von Leben. Deshalb versuchst du nun zu fliehen. Aber es ist umsonst. Das Gefühl der Schuld wird dich auf der ganzen Welt verfolgen. Es wird sich mit dir bis in das Reich der kalten, reinen Winde hinauf erheben. Es wird bei dir sein, wohin du auch gehst. Das ist der Fluch des Buddha.«
Taraka bedeckte das Gesicht mit den Händen.
»So ist das also, wenn man weint«, sagte er. »Du hast mir zum zweiten Mal meine Freiheit genommen«, sagte er, »aber dieses neue Gefängnis ist noch schrecklicher als Höllenschacht.«
»Du hast dich selbst gefesselt. Du warst es, der den Pakt gebrochen hat. Ich habe ihn gehalten.«
»Die Menschen leiden darunter, wenn sie ihr Versprechen nicht halten, selbst wenn der andere ein Dämon ist«, sagte Taraka, »aber kein Rakascha hat jemals darunter gelitten - bis heute.«
Siddhartha schwieg.
Als er am folgenden Morgen beim Frühstück saß, klopfte es an die Tür zu seinen Gemächern.
»Wer wagt es?« schrie er, und die Tür barst nach innen auf, die Angeln sprangen aus der Wand, der Riegel knackte wie ein trockener Reisig.
Der Schädel eines gehörnten Tigers auf den Schultern eines Affen, große Hufe anstelle von Füßen, Klauen statt Hände - so fiel der Rakascha in den Raum hinein. Rauch strömte aus seinem Mund, als er einen Augenblick lang durchsichtig wurde - wieder voll sichtbar wurde - wieder verblaßte - und wieder in seiner ganzen körperlichen Gestalt erschien. Von seinen Klauen tropfte etwas herab, das nicht Blut war, und über seine Brust zog sich ein breiter Brandstreifen. Es stank nach versengtem Haar und verkohltem Fleisch.
»Meister!« schrie das Wesen. »Ein Fremder ist gekommen und verlangt eine Audienz bei Euch!«
»Und es ist dir nicht gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß ich nicht zu sprechen bin?«
»Herr, eine Gruppe von menschlichen Wachen stürzte sich auf ihn, und er machte eine Geste, Er streckte seine Hand gegen sie aus, und ein Lichtblitz zuckte auf, so hell, daß nicht einmal wir Rakascha ihn zu ertragen vermochten. Es dauerte nur einen winzigen Moment - dann waren sämtliche Wachen verschwunden, so als ob es sie niemals gegeben hätte. Und in der Wand, vor der sie gestanden hatten, war ein großes Loch. Kein Steinschutt. Nur ein scharf geschnittenes säuberliches Loch.«
»Und dann seid ihr auf ihn losgegangen?«
»Viele Rakascha warfen sich auf ihn - aber er hat das an sich, was uns zurückstößt. Erneut streckte er seine Hand aus, und drei von uns waren verschwunden, durch das Licht, das er von sich schleudert, vernichtet. Ich wurde nicht voll getroffen, sondern von seiner Macht nur leicht gestreift. Deshalb hat er mich hergesandt, um seine Botschaft zu überbringen. Ich kann mich nicht länger halten.«
Damit verschwand er, und ein Feuerball hing dort in der Luft, wo die Kreatur gelegen hatte. Jetzt strömten die Worte des Rakascha direkt in den Geist, wurden nicht mehr durch die Luft gesprochen.
»Er befiehlt Euch, unverzüglich zu ihm zu kommen. Er sagt, daß er sonst diesen Palast zerstört.«
»Die drei, die er verbrannt hat - haben sie wie du wieder ihre ursprüngliche Gestalt angenommen?«
»Nein«, erwiderte der Rakascha. »Sie sind nicht mehr.«
»Beschreib diesen Fremden!« gebot Siddhartha, die Worte durch die eigenen Lippen zwängend.
»Er ist sehr groß«, sagte der Dämon, »und er trägt schwarze Reithosen und Stiefel. Vom Gürtel aufwärts bedeckt ihn ein seltsames Gewand. Es sieht aus wie ein nahtloser weißer Handschuh. Von seiner rechten Hand - die linke ist frei - zieht es sich den ganzen Arm hinauf bis über die Schultern, bedeckt seinen Nacken und sitzt eng und glatt über seinem ganzen Kopf. Nur die untere Hälfte seines Gesichts ist erkennbar, denn auf seinen Augen trägt er große schwarze Linsen, die eine halbe Spanne aus seinem Gesicht herausstehen. An seinem Gürtel hängt
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