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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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ungerechtfertigt?«
    »Nein«, sagte Taraka. » Aber was ist mit dem in Rot, von dem du mir erzählt hast - der das Leben mit seinen Augen austrinkt. Du hast doch nicht geglaubt, daß sie Agni schicken würden, sondern auf Yama gewartet?«
    »Ja«, sagte Sam, während sie sich zum Schachtmund hin bewegten. »Ich war mir sicher, daß er mich verfolgen würde, und ich bin mir immer noch sicher, daß er es tun wird. Als ich das letzte Mal mit ihm zusammentraf, habe ich ihm einigen Ärger bereitet. Ich glaube, er würde mich überallhin verfolgen. Wer weiß, vielleicht liegt er in diesem Augenblick schon am Grund des Höllenschachts in einem Hinterhalt.«
    Sie kamen zum Rand des Schachts und betraten den Pfad.
    »Er wartet nicht unten«, erklärte Taraka. »Ich würde von denen, die noch gefangen sind und warten, inzwischen längst benachrichtigt worden sein, wenn außer den Rakascha jemand diesen Weg gegangen wäre.«
    »Er wird kommen«, sagte Sam, »und wenn der Rote nach Höllenschacht kommt, wird niemand ihn aufhalten können.«
    »Aber viele werden es versuchen«, sagte Taraka. »Dort ist der erste.«
    Die erste Flamme in ihrer Nische neben dem Pfad kam in Sicht.
    Im Vorübergehen ließ Sam sie frei, und sie schoß wie ein leuchtender Vogel in die Luft und schraubte sich den Schacht hinunter.
    Schritt für Schritt stiegen sie hinab, und aus jeder Nische löste sich ein Feuer und floß nach draußen. Auf Tarakas Geheiß erhoben sich einige der befreiten Rakascha, verschwanden über den oberen Rand des Höllenschachts und verließen die Höhle durch die ungeheure Tür, die auf ihrer Außenseite die Worte der Götter trug.
    Als sie den Grund des Schachts erreicht hatten, sagte Taraka: »Wir wollen auch die befreien, die in den Nebenhöhlen eingeschlossen sind.«
    Und so wanderten sie durch die Gänge und tiefen Höhlen und befreiten die Dämonen, die dort gefangen waren.
    Dann - wieviel Zeit inzwischen vergangen war, konnte er unmöglich sagen - waren alle frei.
    Die Rakascha versammelten sich daraufhin auf dem Grund des Schachts, formierten sich zu großen Feuerwänden und vereinten ihre Schreie zu einem unaufhörlichen Brausen, das in seinem Schädel hallte und widerhallte und sein Gehirn ganz erfüllte, bis ihm klar wurde, so sehr ihn der Gedanke auch überraschte, daß sie sangen.
    »Ja«, sagte Taraka, »es ist das erste Mal seit langen Zeitaltern, daß sie das tun.«
    Sam lauschte den Vibrationen in seinem Schädel und erfaßte einiges von der Bedeutung hinter dem Zischen der Glut, erfaßte einiges von den Gefühlen, die den Gesang begleiteten; und es formten sich in ihm Worte und Betonungen, die seinem eigenen Denken vertrauter waren.
     
    Wir sind die Legionen aus Höllenschacht, Wir
    sind verbannt, sind gestürzte Flammen. Der
    Mensch hat das Feuer sich unterworfen. Ihm
    gilt der Fluch. Ihn woll’n wir verdammen.
    Diese Welt, sie war schon unsre Welt,
    Da waren die Götter und Menschen noch nicht.
    Und Menschen und Götter werden vergehen.
    Die Welt gehört uns und unserem Licht.
    Kein Berg wird mehr sein, kein Ozean,
    Die Monde, sie werden vom Himmel verschwinden,
    Die Brücke aus Gold, sie wird zerbrechen,
    Und was atmet, werden wir überwinden.
    Die Götter fallen, die Menschen fallen,
    Nur wir aus Höllenschacht werden bestehen,
    Nur unsere Heere könnten warten.
    Wir sterben nicht, sondern auferstehen!
     
    Sam schauderte es, und sie sangen Strophe um Strophe und erzählten von ihrer untergegangenen Herrlichkeit, voll Vertrauen in ihre Fähigkeit, jedes Ding zu überdauern, jeder Gewalt mit dem kosmischen Judo eines Stoßes, eines Zuges und eines langen Wartens zu begegnen und zuzusehen, wie alles, was sich gegen sie erhoben hatte, seine Stärke mit der Zeit gegen sich selbst kehrte und verging.
    In diesem Moment glaubte er fast, daß das, was sie sangen, die Wahrheit war und daß eines Tages niemand anderes, nur noch die Rakascha sein würden, um über die pockennarbige Oberfläche einer toten Welt zu huschen.
    Um sich aus seiner trüben Stimmung zu reißen, zwang er sich dann, an andere Dinge zu denken. Aber in den Tagen, die folgten, und noch Jahre später, kehrte zuweilen die Erinnerung daran zurück - ließ seine Erfolge unwichtig erscheinen, ließ ihn nachdenklich werden, ließ ihn Schuld und Trauer empfinden, spottete über seine Freuden und demütigte ihn so.
     
    Nach einiger Zeit kam einer der Rakascha, die zuvor den Höllenschacht verlassen hatten, zurück. Er schwebte in der Luft und

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