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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Götter mit. Es könnte eine Aufgabe werden, an der ihr alle scheitert.«
    Der Dämon antwortete nicht. Sie erreichten den Schachtmund, und Taraka schritt die zweihundert Schritte zur Tür hinauf, die jetzt offen stand. Er trat auf den Felsabsatz hinaus und blickte in die Tiefe.
    »Du bezweifelst die Macht der Rakascha, eh, Bezwinger?« fragte er. Dann: »Paß auf!«
    Er trat über die Kante hinaus.
    Sie fielen nicht.
    Sie trieben dahin, so wie die Blätter, die er hinuntergeworfen hatte - wie lang war das her?
    Hinunter.
    Sie landeten neben dem Pfad auf halber Höhe des Berges, der Channa heißt.
    »Ich beherrsche nicht nur dein Nervensystem«, sagte Taraka, »sondern ich habe deinen gesamten Körper durchdrungen und ihn mit den Energien meines Wesens umhüllt. Dein Gott in Rot, der das Leben mit seinen Augen austrinkt, soll nur kommen. Ich habe keine Angst, ihm entgegenzutreten.«
    »Wenn du auch durch die Luft gehen kannst«, sagte Siddhartha, »ist es vorschnell, was du da sagst.«
    »Der Fürst Videgha hält nicht weit von hier, in Palamaidsu, Hof«, sagte Taraka. »Ich bin dort bei meiner Rückkehr vom Himmel vorbeigekommen. Soviel ich weiß, spielt er gern. Dorthin wollen wir deshalb aufbrechen.«
    »Und wenn der Gott des Todes kommt und mitspielen will?«
    »Soll er!« schrie der andere. »Du beginnst mich zu langweilen, Bezwinger. Gute Nacht. Geh schlafen!«
    Eine kleine Dunkelheit und ein großes Schweigen fielen auf ihn herab, wuchsen und schmolzen im Wechsel.
    Die Tage, die folgten, waren leuchtende Bruchstücke.
    Er schnappte Gesprächsfetzen auf, Liederverse, blickte in Galerien, Kammern, Gärten. Einmal sah er auch in einen Kerker hinein, in dem Menschen auf Folterbänke gespannt waren, und er hörte sich selbst lachen.
    Zwischen diesen Bruchstücken Wirklichkeit überkamen ihn Träume und Halbträume. Sie glühten feurig, schwammen in Blut und Tränen. In einer verdunkelten, unendlich langen Kathedrale ließ er Sonnen und Planeten wie Würfel rollen. Meteore versprühten ihre Glut über seinem Haupt, und Kometen brannten gleißende Bogen in eine Gruft aus schwarzem Glas. Eine freudige Aufwallung, durchsetzt mit Furcht, ergriff ihn, und er wußte, daß die Freude von dem anderen kam, daß die Furcht aber ganz ihm gehörte.
    Wenn Taraka zuviel Wein getrunken hatte oder wenn er im Beischlaf lustvoll keuchend auf dem breiten, niedrigen Liegebett im Harem lag, löste sich sein Griff um den Körper, den er geraubt hatte, etwas. Aber Siddharthas Geist war immer noch wie betäubt, und sein Körper betrunken oder geschwächt; und er wußte, daß die Zeit für ihn noch nicht gekommen war, die Überlegenheit des Dämonenoberen anzufechten.
    Es gab Augenblicke, in denen er nicht durch die Augen des Körpers, der einmal der seine gewesen war, sondern wie ein Dämon sah - in alle Richtungen zugleich. Dann streiften seine Blicke Fleisch und Knochen von denen, die ihm begegneten, und fielen auf die Flammen ihres Wesens, die in den Farben und Schattierungen ihrer persönlichen Leidenschaften glühten; die vor Geiz, Wollust und Neid flackerten, die vor Habsucht und Begierde hochschossen, die vor Haß loderten und vor Angst und Schmerz verglommen. Seine Hölle war ein bunter Ort, und nur das kalte blaue Feuer eines gelehrten Geistes, das weiße Licht eines sterbenden Mönchs, der rosenfarbige Nimbus einer adligen Frau, die sich seinem Blick entzog, und die tanzenden, einfachen Farben spielender Kinder milderten die grelle Farbvielfalt.
    Er schritt durch die hohen Hallen und weiten Gänge des Fürstenpalastes zu Palamaidsu, den er im Spiel gewonnen hatte. Der Radscha Videgha lag angekettet in seinem eigenen Kerker. Niemand von seinen Untertanen ahnte, daß nun ein Dämon auf dem Thron des Reiches saß. Die Dinge schienen nicht anders abzulaufen als eh und je. Siddhartha hatte Visionen, daß er auf dem Rücken eines Elefanten durch die Straßen der Stadt ritt. Alle Frauen von Palamaidsu waren vor ihre Haustüren beordert worden. Der Dämon wählte unter ihnen die aus, die ihm gefielen, und nahm diese Frauen in seinen Harem auf. Plötzlich ernüchtert, begriff Siddhartha, daß er bei der Auswahl mithalf, daß er mit Taraka über die Qualitäten dieser oder jener Ehefrau, Jungfrau oder vornehmen Dame stritt. Mit dem Begreifen steigerte sich seine Wachsamkeit, und es war nicht immer die Hand des Dämons, die das Weinhorn an seine Lippen setzte oder im Kerker die Peitsche schnalzen ließ. Größere Zeitabschnitte lang war er

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