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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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eines Steinhauses, in dem nur wenige Farben leuchten und nur ein einziger Laut bekannt ist, der des Windes - dort, in diesem Pavillon haben seit den Tagen der Ersten Philosophen und Hexen, Weise und Magier, Selbstmörder und Asketen gesessen, in denen der Wunsch nach Wiedergeburt und Erneuerung erstorben war dort, im Zentrum von Verzicht und Aufgabe, Rückzug und Abschied liegen fünf Räume: Erinnerung, Furcht, Herzeleid,
    Verfall und Verzweiflung, erbaut von Kubera, dem Feisten, dem Freund Kalkins, der nicht das geringste um all diese Gefühle gab, der aber auf Geheiß von Candi, der Wilden, auch bekannt als Durga und als Kali, den Bau ausgeführt hatte, denn von allen Göttern besaß allein Kubera die Gabe, sich mit leblosen Dingen zu verständigen und dem Werk seiner Hände Gefühle und Leidenschaften einzugeben, die diejenigen, die mit diesen Dingen in Berührung kamen, empfanden.
    Sie saßen in dem Raum Herzeleid und tranken Soma, doch sie waren nicht betrunken.
    Der Pavillon des Schweigens lag ganz im Dämmerlicht, und die Winde, die den Himmelsraum durchkreisten, flossen über sie hinweg.
    Sie saßen in schwarzen Roben auf schwarzen Bänken, und seine Hand lag auf der ihren, lag auf dem Tisch, der zwischen ihnen stand; und alle Stunden ihrer Vergangenheit zogen auf der Wand, die den Himmel der Götter vom Himmel der Menschen trennte, an ihnen vorbei; und sie schwiegen und betrachteten die Chronik der Jahrhunderte.
    »Sam«, sagte sie schließlich, »war es nicht schön?«
    »Ja«, erwiderte er.
    »Damals in den alten Tagen, bevor du den Himmel verlassen hast, um unter den Menschen zu leben - hast du mich damals geliebt?«
    »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern«, sagte er. »Es ist so unendlich lange her. Wir waren damals beide andere Menschen - dachten anders und trugen andere Körper. Wahrscheinlich liebten die beiden, wer immer sie auch waren, einander. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
    »Aber mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen - der Frühling der Welt, die Tage, in denen wir gemeinsam in die Schlacht ritten, und die Nächte, in denen wir die Sterne vom frisch angemalten Himmel schüttelten! Die Welt war so neu und anders damals, in jeder Blume, hinter jedem Sonnenuntergang lauerte eine Gefahr. Gemeinsam haben wir eine ganze Welt bezwungen, denn niemand und nichts hier wollte uns, alles wandte sich gegen unsere Anwesenheit. Wir schlugen und brannten uns quer durch das Land und über die Meere und kämpften unter Wasser und in den Lüften, bis keine Kraft mehr da war, die sich gegen uns stellen konnte. Dann wurden Städte erbaut und Reiche gegründet, und wir zogen uns diejenigen groß, die wir als Herrscher über diese Reiche einsetzen wollten - bis sie uns nicht mehr gefielen und wir sie wieder stürzten. Was wissen die jüngeren Götter denn von jenen Tagen? Wie können sie begreifen, welchen Einfluß wir, die Ersten, einmal besessen haben?«
    »Sie können es nicht«, erwiderte er.
    »Als wir in unserem Palast am Meer Hof hielten und ich dir viele Söhne schenkte, und als unsere Flotten ausliefen, um die Inseln zu erobern - waren das nicht Tage voller Größe und Schönheit? Und die Nächte mit ihrem Feuer, ihren Düften, ihrem Wein.? Hast du mich damals nicht geliebt?«
    »Ich glaube, die beiden, von denen du sprichst, haben sich geliebt, ja.«
    »Die beiden? So sehr haben wir uns nicht verändert. So verschieden sind wir heute nicht von damals. Wenn die Zeitalter auch vergehen, es gibt Dinge in einem, die unwandelbar sind, die sich nicht verändern, gleichgültig, wie viele Liebhaber und Geliebte man sich nimmt, gleichgültig, wieviel Schönes und wieviel Häßliches man sieht oder tut, gleichgültig, wie viele Gedanken man denkt und wie viele Gefühle man fühlt. Im Mittelpunkt all dieser Dinge und alles beobachtend, steht unbeirrt das Ich.«
    »Öffne eine Frucht, und du findest Samenkörner im Innern. Ist das der Mittelpunkt?« sagte Sam. »öffne die Samen, und du findest nichts in ihrem Innern. Ist das der Mittelpunkt? Wir sind heute nicht mehr der Herr und die Herrin der Schlachten, die wir einmal waren. Es tut gut, jene beiden einmal gekannt zu haben, aber das ist alles.«
    »Hast du den Himmel verlassen und draußen gelebt, weil du meiner überdrüssig warst?«
    »Ich brauchte einen Wechsel in der Perspektive.«
    »Lange Jahre habe ich dich gehaßt, weil du weggegangen bist. Dann hat es Zeiten gegeben, da ich in dem Raum, der Verzweiflung heißt, gesessen habe;

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