Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
hatte er außer Gold noch andere brauchbare Sachen darin. Sicher einen warmen Mantel, weil er über das Eis hatte gehen wollen. Sie hätte nachsehen können, wenn die Wachen nicht gewesen wären. Sie schenkten ihnen zwar kaum Beachtung, da sie damit beschäftigt waren, den Zugang zum Palast zu beobachten und außerdem wild darüber zu spekulieren, wie der Krieg gegen die Fayé verlaufen würde, aber Chialla wollte nicht zu dreist sein. Sie musste die ergebene Untertanin mimen, dann hätte sie die besten Aussichten auf eine Belohnung.
Damit, dass ein Osadro kam, um den Gefangenen abzuholen, hatte sie nicht gerechnet. Überrascht sank sie vor dem beleibten Mann in dem weinroten Gewand auf die Knie.
»Schattenfürst Velon!«, rief Tasor. »Ich will alles gestehen! Gewährt mir einen schnellen Tod!«
Der Unsterbliche musterte ihn schweigend, dann wanderte sein Blick zu Chialla. »Du bist die Hure, die uns diesen Verräter bringt?«
»Ich bin kein Verräter!«, rief Tasor.
Eisbart, der mit Velon gekommen war, ging mit schnellen Schritten zu ihm und schmetterte ihm die Faust ins Gesicht. »Du hast den Eid der Garde verraten!«
»Und sie hat den Verräter verraten«, flüsterte Velon, der noch immer Chialla ansah. »Ist das Gerechtigkeit?«
Sie wagte nicht zu atmen, senkte den Blick.
»Bringen wir ihn zu den anderen!«, befahl Velon.
Die Gardisten lösten Tasors Fessel und zogen ihn hinaus. Sie nahmen auch seinen Reisesack. Keiner beachtete Chialla, aber ihr verwehrte auch niemand, sich der Gruppe anzuschließen. Sie hatten es nicht weit bis zu einem Innenhof, aus dessen Kies drei Pfähle ragten, auf denen tote Gardisten steckten. Ihre Köpfe waren auf die Brust gesunken, ansonsten erzwangen die Pfähle eine aufrechte Haltung. Bei einem war die Spitze knapp neben dem Hals aus der Schulter getreten, die anderen waren noch nicht so weit abgesackt.
»Nehmt einen spitzen Pfahl!«, schrie Tasor. »Ich bitte euch!«
Während seine Kameraden ihn auf den Boden drückten, seinen Gürtel zerschnitten und die Hose von den Beinen zerrten, legte Eisbart eine Hand auf Chiallas Hüfte. Sie ließ es geschehen. Es war gut, einen Beschützer zu haben.
Velon sah auf Tasor herab. »Du hast die letzten Nächte in Furcht verbracht, oder?« Seine Stimme war die eines väterlichen Freundes. »Das hättest du dir ersparen können. Alles könnte schon vorbei sein. Jetzt halt still. Dein Gezappel macht es unwürdig.«
Als die Gardisten Tasor brutal in Position brachten, wandte sich Chialla ab. Sie lauschte den unartikulierten Schreien. Eisbart knabberte an ihrem Läppchen.
»Wird sie kommen?«, rief Tasor. »Darf ich Lisanne noch einmal sehen?«
»Wenn du lange genug lebst«, beschied Velon. »Sollen wir doch einen stumpfen Pfahl nehmen?«
»Nein! Alles, nur das nicht!«
Fragend sah Chialla Eisbart an. Sie merkte, dass sie wieder zitterte. Ein Teil von ihr wollte fortrennen, aber die Predigten des Kults wogen schwer in ihrem Herzen. Grausamkeit und Stärke waren eins. Wer Zeuge von Grausamkeiten wurde, auf den strahlte ihre Stärke ab.
»Ein spitzer Pfahl durchstößt die Organe«, murmelte Eisbart. »Ein stumpfer drückt sie zur Seite. Dadurch dauert es viel länger, bis der Tod eintritt. Manchmal eine ganze Woche, wenn man die Vögel verscheucht und für Wasser sorgt.«
Als die Gardisten das Marterinstrument heranbrachten, fehlte Chialla die Ruhe, auf die Beschaffenheit der Spitze zu achten. Ihr Magen rebellierte. Sie fürchtete, sich übergeben zu müssen. Eisbarts kräftige Hand spürte sie kaum, obwohl er ihren Hintern im Takt der Hammerschläge massierte und dabei von Mal zu Mal fester wurde. Um sich von Tasors gurgelnden Schreien abzulenken, suchte sie den Reisesack. Schließlich sah sie ihn an einer Säule lehnen.
»Vorsicht!«, rief Eisbart.
Chialla sah wieder zu Tasor. Er steckte jetzt auf dem Pfahl. Drei Gardisten richteten ihn auf, drohten aber, dabei aus dem Gleichgewicht zu geraten. Tasor schrie sich die Seele aus dem Leib, während er wie eine Strohpuppe hin und her pendelte. Seine Brust hing in einem merkwürdigen Winkel nach vorn, als wolle er sich zu einem Bocksprung anbieten. Allzu tief konnte das Holz also noch nicht gedrungen sein. Fluchend wuchteten die drei ihn bis zu dem Loch, in das sie den Pfahl schoben. Er ruckte einen halben Schritt tief, dann schlug er auf etwas Festes. Tasor rutschte ein Stück weiter. Die Gardisten verkeilten den Pfahl.
»Werde ich …«, gurgelte Tasor, »… noch einmal Lisanne
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