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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Corin
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glitt hinter das Steuer seines Wagens, schob sich eine Pfefferminzpastille unter die Zunge und fuhr auf die Hauptstraße. Zu dieser Tageszeit konnte er nicht allzu viel Gas geben – aber zumindest ein wenig. Er sah zu, wie die Nadel auf 60 Meilen pro Stunde kletterte (15 mehr als erlaubt), und stellte das Radio an.
    Was machte sie in Melville? Er hatte nicht gefragt, weil ihm klar war, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. Zweifellos hatte es etwas mit ihrer Besessenheit von Galileo zu tun, und er wollte, dass die Coors-Biere noch ein bisschen länger in seinem Hirn kribbelten, bevor er sich wieder mit seiner Frau und ihrem Kampf gegen Windmühlen beschäftigen musste.
    Er fühlte mit ihr, natürlich, aber vor allem tat sie ihm leid – und ein Mann sollte seine Frau nicht bemitleiden, oder? Und was Sophie wohl dachte? Kinder waren viel scharfsinniger, als man immer gern glauben wollte. Bestimmt fragte sie sich, wo ihre Mutter hingegangen war und wer diese Frau sein sollte, die ihren Platz eingenommen hatte.
    Da Tom Piper in der Presse zur Schnecke gemacht worden war, hatte er geglaubt, sie würde jetzt endlich aufgeben, doch stattdessen hatte sie ihren Feldzug, Long Island vor der Bestie zu retten, nur noch heftiger geführt. Er wusste, was sein Vater wollte. Sein Vater wollte, dass er die Sache beendete, sie rauswarf, zumindest solange, bis sie aufhörte, lieber die Welt zu retten als ihre Ehe. Manche Leute musste man zu ihrem Glück zwingen. Vielleicht würde eine vorübergehende Trennung ihr helfen zu erkennen, wie peinlich ihr Benehmen war …
    Polizeisirenen unterbrachen seine Gedanken. Er hörte sie, bevor ein Streifenwagen in seinem Rückspiegel auftauchte. Himmel, wie lange war dieser Mistkerl schon hinter ihm her? Rafe sah auf den Tacho. 72 Meilen pro Stunde; so viel zum Thema „Nur 15 mehr als erlaubt“. Er ging vom Gaspedal und rollte auf den Seitenstreifen. Der Streifenwagen hatte jetzt seinen Suchscheinwerfer an, obwohl die Nachmittagssonne grell genug war.
    „Tja“, sagte Rafe zu sich selbst, „zumindest habe ich jetzt eine glaubwürdige Entschuldigung für meine Verspätung.“
    Seine glaubwürdige Entschuldigung kostete ihn dreihundert Dollar, und er legte Wert darauf, Esme den Strafzettel durchs offene Fenster hinzuhalten, als er vor dem FBI-Gebäude parkte. Sie saß auf der Eingangstreppe, warf einen Blick darauf und zuckte apathisch mit den Schultern.
    „Ich habe versucht, so schnell wie möglich hier zu sein“, erklärte Rafe. „Der Polizist hatte wenig Verständnis.“
    Sie kletterte auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. Ihre Wimperntusche war ein wenig verschmiert. Hatte sie geweint? Hatte das FBI sie nicht ernst genommen, und deswegen heulte sie? Das ging zu weit!
    „Ich hatte recht“, wisperte sie. Ihre Stimme klang meilenweit entfernt. „Ich hatte recht, und Tom hatte recht, aber niemand hat uns zugehört.“
    „Was willst du …“
    „Er hat wieder zugeschlagen. Galileo. In einer Schule in Santa Fe. Einer Schule! Kinder waren dort. Was hätte ich nur anders machen sollen? Irgendetwas hätte ich anders machen müssen. Ich hatte recht.“
    Doch ihre Stimme klang nicht triumphierend. Sie klang einfach nur weit entfernt.
    Rafe fuhr zurück in die Stille von Oyster Bay. Diesmal achtete er auf die Höchstgeschwindigkeit und warf Esme hin und wieder einen mitfühlenden Blick zu. Was sie nicht bemerkte. Sie starrte nur aus dem Fenster auf die vorbeifliegende Landschaft.
    Als sie in die Auffahrt fuhren, kam Sophie aus dem Haus gerast, um sie zu begrüßen. Sie musste am Fenster gesessen haben.
    „Fällt der Unterricht am College aus?“, wollte sie von ihrem Vater wissen.
    „Schön wär’s!“ Er nahm sie auf den Arm.
    Drinnen schaute Lester die neuesten Nachrichten über die Schießerei an, eine Hand in einer Tüte Salzbrezeln mit Senfgeschmack.
    „Da ist sie ja“, nuschelte er zwischen zwei Brezeln. „Ich dachte schon, du hättest vergessen, dass du ein Heim hast.“
    Esme sah ihren Schwiegervater böse an. „Du bist früher gefahren als abgemacht.“
    „Wenn du meinst.“
    Rafe, der spürte, dass ein Streit drohte, beugte sich zu seiner Tochter herab. „Wenn du deine Hausaufgaben in deinem Zimmer fertig machst, dann können wir heute Abend zu Burger King gehen.“
    „Jippie!“, rief Sophie und galoppierte die Treppe hinauf.
    Lester stellte den Fernseher ab, warf sich eine weitere Brezel in den Mund und stand auf. „Deine Frau war so damit beschäftigt, mit

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