Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
eiskalten Gespensterhand auf den nackten Bauch gepatscht, dass es nur so gepfatscht hat.
Sehr angenehm ist das nicht gewesen, wie man sich denken kann. Nein, im Gegenteil. Angenehm war das ganz und gar nicht für Appelts Willi.
Zeit seines ganzen weiteren Lebens hat der Willi die kalte Gespensterhand auf dem Bauch nicht vergessen können. Und die Haare haben sich ihm gesträubt, sobald er nur irgendwo eine Sieben gesehen hat.
Aber das Siebenereinmaleins ...
Das Siebenereinmaleins hat der Willi Appelt am andern Morgen nur so heruntergeschnurrt, als der Herr Klingsor ihn danach fragte: vorwärts und rückwärts, und kreuz und quer durcheinander, wie es gerade kam.
Und wer räumt das alles weg?
Der Herr Schuldiener Büttner war ein fleißiger und geduldiger Mensch. Es war ja nicht damit abgetan, dass er Tinte nachfüllte und den Kindern in der großen Pause heiße Würstel und Semmeln verkaufte. Auch sonst gab es eine Menge für ihn zu tun an der Rudolfschule. Besonders während des Winterhalbjahrs, wenn er in allen Räumen die Öfen heizen musste, und zwar mit Kohle. Es gab nämlich damals noch keine Zentralheizung in den Schulen. Das war gewiss keine leichte Arbeit für ihn. Aber er tat sie, ohne zu murren, denn jemand musste sie schließlich tun.
Eigentlich gab es nur eine Arbeit, die dem Herrn Schuldiener Büttner richtig zuwider war - eine einzige. Wenn er bloß daran dachte, konnte es vorkommen, dass er laut vor sich hin zu schimpfen
begann: »Ach, diese Schmutzfinken! Kann man es ihnen wirklich nicht beibringen? Irgendwie müsste es doch wohl möglich sein, ihnen das beizubringen!«
»Was gibt's denn?«, fragte ihn der Herr Klingsor, als er ihn eines Tages am Ende der großen Pause wieder mal schimpfen hörte.
»No, was denn wohl!« Der Herr Schuldiener Büttner wies seufzend über den Schulhof. »So sieht's hier nach jeder Pause aus. Alles voller Papier
und Abfall! Die Herren Kinder denken sich überhaupt nichts dabei. Was ihnen aus der Hand fällt, bleibt einfach liegen. Der alte Büttner wird's dann schon wegräumen.«
Dem Herrn Klingsor tat der Herr Schuldiener Büttner Leid. Gab es vielleicht eine Möglichkeit, ihm zu helfen? Aber natürlich! »Wissen Sie was?«, versprach er ihm. »Morgen werden Sie Augen machen. Ich glaube nämlich, mir ist da was eingefallen.«
Der nächste Tag war ein schöner sonniger Herbsttag, einer von diesen sommerlich warmen Tagen, an denen man staunend feststellt: »Das muss wohl ein Irrtum sein! Haben wir denn nicht Ende Oktober? - und noch so warm!«
Alle Kinder der Rudolfschule verbrachten die große Pause an diesem herrlichen Tag auf dem Schulhof. Nur ungern kehrten sie nach dem Läuten ins Haus zurück. Bloß die Kinder der dritten Klasse durften noch eine Weile draußen bleiben. »Seht euch mal bitte auf unserem Schulhof um«, sagte Herr Klingsor zu ihnen. »Ob euch wohl etwas auffällt?«
Die Kinder blickten sich fragend an, sie wussten nicht, was Herr Klingsor von ihnen wollte. Schließlieh meinte die Hilde Bienert: »Was soll uns denn, bitte, auffallen auf dem Schulhof?«
»Alles, was ihn verschandelt. Zum Beispiel das viele Papier, das da überall rumliegt.«
»Ach so!«, meinte Knoblochs Paulchen. »Und auch die Butterbrottüten, nicht wahr?«
»Und die Brotrinden!«, riefen die Dreithaler-Zwillinge wie aus einem Mund. »Und die Orangenschalen!«
Nun rief es von allen Seiten: »Dort liegt ein angebissener Apfel ... Und da eine halbe Semmel ... Ein Notizzettel ... Ein Stück Zeitungspapier ... Eine Fahrkarte von der Straßenbahn ... Und da noch eine!«
»Und was meint ihr wohl, wie das alles auf unsern Schulhof gekommen ist?«, fragte Herr Klingsor dann.
»Na, ganz einfach, Herr Lehrer!«, rief Appelts Willi. »Die Kinder haben es während der Pause fallen lassen!«
»Und wer soll es wieder aufheben?«
»No, der Herr Schuldiener Büttner natürlich«, meinte die Steffi Austerlitz und alle anderen Kinder nickten.
»Ja, der Herr Schuldiener Büttner natürlich.«
Herrn Klingsors Gesicht wurde ernst. »Habt ihr euch eigentlich schon mal darüber Gedanken gemacht, was das heißt? Stellt euch doch bitte vor, wie oft sich der arme Herr Schuldiener bücken muss, wenn er all das aufklauben muss, was die Kinder so fallen lassen. Nach jeder Pause, an jedem Schultag. Ich werde euch mal was zeigen ...«
Er murmelte einen seiner geheimen Sprüche und schnalzte leicht mit den Fingern. Da verdunkelte sich ganz plötzlich die Sonne über dem Schulhof, als
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