Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
sich keinen Rat mehr wusste.
Bestand ein Satz aus fünf einfachen Wörtern, dann brachte es Plischkes Gustav mit Leichtigkeit fertig, mindestens sieben Fehler hineinzuschreiben! Dabei war er nicht etwa ein dummer Junge, nein, ganz und gar nicht. Er war auch nicht etwa faul oder unwillig, ganz im Gegenteil. Nur im Rechtschreiben, und nur dort: Da war Plischkes Gustav das, was man einen hoffnungslosen Fall nennt.
Weiß der Kuckuck, woran das lag! Herr Kling-sor hatte schon alles versucht, was er nur versuchen konnte, um dem Gustav zu helfen. Aber da nützte kein Fingerschnalzen, da halfen auch keine noch so geheimen Sprüche weiter, da schien überhaupt nichts zu helfen.
Herr Klingsor verbrachte ein ganzes Wochen-ende damit, den Fall von Grund auf zu überdenken. Er überdachte ihn wieder und immer wieder - und endlich, am Sonntagabend, da kam ihm eine Idee. Wozu gab es schließlich ein Telephon, und zwar damals schon!
(Nun werdet ihr sicherlich meinen, da sei mir ein Schreibfehler unterlaufen, oder das müsse ein Druckfehler sein. Aber nein! Bei dem Wort »Telephon« und in allen Wörtern, die damit zusammenhängen, bediene ich mich hier absichtlich der seinerzeit üblich gewesenen Schreibweise, auch wenn sie uns heute ein wenig umständlich vorkommen mag. Dazu muss man freilich wissen, dass auch das Telephonieren in jenen Zeiten höchst umständlich war, im Vergleich zu heute.)
Nun gut. Der Herr Klingsor führte also ein Telephongespräch. Er telephonierte mit seinem älteren Bruder, dem großen Zauberer, und bat ihn um Rat wegen Plischkes Gustav.
Er sollte den Rat nicht vergebens erbeten haben! Zwei Tage danach klingelte der Postbote bei Herrn Klingsor und übergab ihm ein Päckchen. Das Päckchen hatte Herrn Klingsors älterer Bruder geschickt. Es enthielt eine Dose aus schwarzem Blech, nicht größer als eine Zündholzschachtel.
Am nächsten Tag nahm Herr Klingsor die schwarze Dose, die ihm sein älterer Bruder geschickt hatte, in die Schule mit. Und kaum hatte der Unterricht begonnen, da zog er sie aus der Tasche hervor und Plischkes Gustav musste zu ihm ans Pult kommen.
»Na, Gustav - was meinst du wohl, was da drin ist, in dieser Dose aus schwarzem Blech? Ob du es wohl erraten kannst?«
Plischkes Gustav konnte es nicht erraten, wie sollte er auch.
»Dann gib Acht, mein Lieber! In dieser Dose, die mir mein großer Bruder eigens für dich geschickt hat, da sitzt ein Rechtschreibfloh. Den werd ich dir hinters Ohr setzen - und dann wird er dir helfen beim Rechtschreiben keine Fehler zu machen.«
»Nanu!«, staunte Plischkes Gustav. »Gibt's denn das?«
»Ja, das gibt es.«
Mit spitzen Fingern nahm der Herr Klingsor den Rechtschreibfloh aus der Schachtel und setzte ihn Plischkes Gustav hinter das linke Ohr.
Wenn der Gustav von jetzt an beim Rechtschreiben einen Fehler machte, dann pikte ihn der Rechtschreibfloh sofort in den Hals - und dies war das
Zeichen dafür, dass Gustav den Fehler ausbessern sollte.
Na gut, na schön. Manchen Kindern wäre es nur zu wünschen, solch einen Rechtschreibfloh hinterm Ohr zu haben: Dann gäbe es kaum noch Flüchtigkeitsfehler in ihren Heften. Anders bei Plischkes Gustav.
Gewiss, der Herr Klingsor hatte ja nur das Beste für ihn gewollt. Doch nun stellt euch mal bitte vor, ihr würdet bei jedem Satz aus fünf einfachen Wörtern mindestens sieben Mal in den Hals gepikt. Oder noch öfter sogar!
Es kam, wie es leider kommen musste.
Schon nach wenigen Tagen war Gustavs Nacken derart zerstochen und angeschwollen, dass er kaum noch in den Kragen passte. Da meinte der arme Junge voller Verzweiflung: »Ach bitte, Herr Lehrer, könnten Sie mir den Rechtschreibfloh wieder wegnehmen? Ich halte die ewige Pikerei nicht mehr aus!«
Und Herr Klingsor, der ein vernünftiger Mann war, befreite den armen Gustav von seinem Rechtschreibfloh. Denn solch eine wichtige Sache ist die deutsche Rechtschreibung nun auch wieder nicht.
Das sommersprossigste Kind der Welt
In allen Schulzeugnissen und im Klassenbuch stand sie selbstverständlich mit vollem Namen: Stephanie Clementine Alphonsa Freiin von Aus-terlitz. Aber sonst hieß sie überall nur die rote Steffi, auch beim Herrn Klingsor.
Sie hatte dichtes, wundervoll fuchsfeuerrotes Haar, darauf war sie richtig stolz. Überdies hatte sie entsetzlich viele Sommersprossen im Gesicht, die auch im Winter nicht weggingen. Im Vergleich dazu war der kleine Leberfleck, wie ihn neuerdings die Franziska Dreithaler auf der linken Wange trug,
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