Herr Lehmann: Herr Lehmann
reagierte nicht. Er stand einfach nur da und sah ihm hinterher. Armer Willi, dachte Herr Lehmann und ging die Treppen zur Ü-Bahn hinunter.
Kapitel 16 KLARE WORTE
Herr Lehmann hatte sich fur den Abend seines Ost-Ausflugs eine Schicht im Einfall geben lassen, nur för den Fall, daß seine Ostverwandte ihn zum Abendessen einladen wollte, eine Abendschicht war da eine schone Ausrede. Nun war alles anders gekommen, und es war erst drei Ühr, als er nach Hause kam. Er sah keine bessere Möglichkeit, die gewonnene Zeit zu nutzen, als sich ein bißchen hinzulegen, und er hatte sich schon ausgezogen, als das Telefon klingelte. Er dachte, es wäre Katrin, die den Osten verlassen hatte, um sich nach ihm zu erkundigen, aber dann war es bloß Erwin, der aus dem Einfall anrief, um zu fragen, ob Herr Lehmann auch fröher zur Arbeit kommen könnte.
Ich bin eigentlich noch im Osten", sagte Herr Lehmann, der keine Lust zum Arbeiten hatte und dem es außerdem wichtig war, fur Katrin erreichbar zu sein. Sie macht sich sicher schon Sorgen, dachte er, die kommt jeden Moment aus dem Osten zuröck und sucht mich.
Ich brauche dich dringend" , sagte Erwin, ich steh schon selber hier. Ich weiß auch nicht, was los ist, Heiko ist krank, nicht mal Rudi kann kommen."
Wer ist Rudi?" fragte Herr Lehmann.
„Ist doch egal", sagte Erwin, „kann ja eh nicht kommen. Die sind alle krank, heute abend kommt wenigstens Verena. "
„Wieso Verena? Ich denke, Karl ist heute abend dabei."
„Vergiß es", sagte Erwin. „Der kommt nicht mehr."
Wie?"
„Ist eine lange Geschichte."
Karl kommt nicht mehr?"
„Kann ich jetzt nicht am Telefon erklären."
„Dann bleib mal da", sagte Herr Lehmann, „ich komme eben ruber."
Er zog sich wieder an, machte för Katrin einen Zettel an die Tur und ging ins Einfall. Dort stand Erwin hinter dem Tresen und schäumte Milchkaffee für ein paar alleinerziehende Mütter auf, die sich nachmittags gerne dort versammelten. Ihre Kinder machten einen Heidenlürm, wührend die Mütter zur Beruhigung den Milchkaffee mit Schuß nahmen.
„Was ist mit Karl?" fragte Herr Lehmann.
„Gute Frage", sagte Erwin. „Gute Frage. Er kam heute mittag in die Markthalle. Ich war auch da, zum Essen. Kam gleich zu mir, der Vogel, und fing Streit an. Ich weiß nicht, war der besoffen oder was, Kerle, Kerle!" Er wischte sich imaginaren Schweiß von der Stirn. „So hab ich den überhaupt noch nicht erlebt. Meinte irgendwas von ich würde ihm eigentlich Geld schulden und ob ich schon mal ausgerechnet hätte, was er mir eingebracht hat und so Scheiß. Ich hab uberhaupt nicht verstanden, was der wollte."
„Naja, wenn er besoffen war, das kommt schon mal vor."
„Was weiß ich, ob der besoffen war. Dann hat er angefangen zu randalieren."
„Karl?"
„Aber sicher. Fing an, die Leute anzupöbeln."
„Und dann?"
„Und dann?" Erwin ließ von der Milchaufschüumerei einen Moment ab und blickte Herrn Lehmann in die Augen. In seinem Gesicht stand tiefe Erschopfung. „Hat der mir eine gescheuert."
„Nein."
„Doch! Hier!" Erwin zeigte auf seinen Wangenknochen, aber da war nichts zu sehen.
Wie jetzt? Da hat er dich hingehauen?"
„Was meinst du denn! Und dann ist er weggelaufen."
„Glaube ich nicht."
Frag doch Heidi, die war dabei, frag doch Heidi, wenn du mir nicht glaubst. Echt mal, Frank", wenn es ernst wird, nennen sie mich Frank, dachte Herr Lehmann, ich glaube, der ist langsam ein bißchen plemplem, der dreht ab."
„Karl doch nicht. Der hat nur eine kleine Krise. Wegen der Ausstellung und so."
Frank, der hat mir eine gescheuert! Mir!"
„Ja, Erwin", sagte Herr Lehmann, „das geht naturlich nicht."
„Hür auf mich zu verarschen, das ist ernst. Es ist ja nicht wegen mir. Der hat nicht mehr alle Marmeln an der Kiste."
„Erwin, das ist jetzt wirklich blüd formuliert."
„Was?"
Marmeln an der Kiste. Wo soll das denn herkommen?"
Erwin zuckte mit den Schultern. „Naja, mir ist das egal", sagte er. „Bei mir arbeitet der jedenfalls nicht mehr. Wenn du sonst keine Probleme hast, als wie jemand was formuliert, bitte, kein Problem, mir ist das egal, ist dein Freund, bei mir arbeitet der jedenfalls nicht mehr."
„Erwin, jetzt koch das doch nicht so hoch."
Nee, nee, ist mir egal. Da bin ich aber nicht der einzige. Kannst ja mal rumfragen, wegen mir die Deppen vom Abfall, das sagen alle. Mit dem stimmt was nicht."
Häor mal, Erwin, okay" , sagte Herr Lehmann. Dann kann ich jetzt aber auf keinen Fall arbeiten, ich muß
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