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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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erst mal nach Karl gucken. Ich bin erst um acht dran. Kannst du das solange noch durchhalten hier mit den gefäahrlichen Muttern?"
    „Ich weiß auch nicht", sagte Erwin in resigniertem Ton. „Ich habe ..." Er hielt inne und begann stumm an den Fingern zu zählen, „acht Kneipen im Augenblick. Drei in Kreuzberg, zwei in Schäneberg, jetzt die in Charlottenburg, das sind sechs, und dann noch, warte mal, vier in Kreuzberg, der Eimer ist ja auch in Kreuzberg, nein fuänf, egal, jedenfalls habe ich immer nur hier Arger. Immer nur hier. Wenn was los ist, immer hier. Einfall und Markthalle. Kann mir das mal jemand erklaren?"
    Wahrscheinlich kann sich der A ä rger nur da richtig entwickeln, Erwin, wo dein problemloäsender Einfluß am stäarksten ist."
    „Versteh ich jetzt nicht."
    „Du bist eben mehr hier als anderswo, Erwin. Bei den anderen Kneipen hast du immer noch Partner, die sich um den Scheiß kummern, nur hier nicht."
    „Naja", sagte Erwin, „hier fing eben alles an."
    „Ja", sagte Herr Lehmann, „hier fing alles an. Und ich muß mich jetzt mal um Karl kummern, okay?"
    Wolltest du nicht heute in den Osten?"
    „Ja, ich bin schon wieder zuräck."
    Wie war's denn so?"
    „Geht so."
    War da wieder Demo und so?"
    „Hab keine gesehen."
    „Da geht ganz schon was ab."
    „Ich geh dann mal, Erwin. Um acht bin ich wieder da. Halt durch."
    „Ja, ja", sagte Erwin. „Kummer dich mal um den Vogel. Wer bin ich schon. Nimm auf mich keine Rucksicht."
    „Trink erst mal einen Pfefferminztee, Erwin. Mit Milch."
    „Jetzt hau schon ab."
    Herr Lehmann ging hinaus und durch den Gäorlitzer Park zur Cuvrystraße. Karls Ladenwohnung war abgeschlossen, und die Roilaäden waren wie immer heruntergelassen. Es gab keine funktionierende Klingel. Frank wummerte eine
    Zeitlang mit der Faust gegen die Tuör, aber er glaubte sowieso nicht, daß sein bester Freund daheim war. Der ist irgendwo auf der Piste, dachte er. Wenn er so einen Scheiß macht, dann ist er noch unterwegs, dachte er, dann legt man sich nicht einfach aufs Ohr oder feilt an irgendwelchem Schrott. Herr Lehmann versuchte sich zu erinnern, wann jetzt die Ausstellung seines besten Freundes war, am zehnten oder elften oder so, ich hoffe nur, dachte Herr Lehmann, waöhrend er zur Schlesischen Straße hinuöberging, um dort seinen Kneipencheck zu beginnen, daß er seinen Kram jetzt fertig hat, denn wenn er erst einmal so drauf ist, dachte er, dann kriegt er wahrscheinlich uöberhaupt nichts mehr hin.
    Zuerst uöberpruöfte Herr Lehmann den Goldenen Anker, eine der Prollk-neipen, die Karl in extremer Stimmung gerne besuchte, er stellte sich vor dessen großes Fenster und versuchte zu erkennen, wer sich da drinnen alles so tummelte, und ob Karl dabei war. Das war sinnlos, es war nichts zu erkennen, obwohl der Goldene Anker, und das war das einzig Gute, was Herr Lehmann uöber ihn sagen konnte, keine weißen Gardinen vor den Fenstern hatte, obwohl er das von seinem Charakter her haötte haben muössen, solche Kneipen haben eigentlich immer weiße Gardinen vor den Fenstern, dachte Herr Lehmann jedes Mal, wenn er den Goldenen Anker sah, nur der Goldene Anker nicht. Wahrscheinlich bloß deshalb nicht, weil der Goldene Anker drinnen immer so duöster ist, dachte Herr Lehmann jetzt, daß es keine weißen Gardinen braucht, um die Blicke der Welt fernzuhalten. Also mußte er in den Goldenen Anker hinein. Nachdem sich seine Augen an das Dunkel im Inneren gewoöhnt hatten, sah er nur ein paar verlorene Gestalten, Rentner und andere Mußigganger, die uber den großen Raum verteilt herumsaßen und in Schultheißflaschen starrten, die hier fur nur zwei Mark uber den Tresen gingen, eine Form des Dumpings, die nur durch des Goldenen Ankers unendliche Trostlosigkeit akzeptabel war, wie Herr Lehmann fand. Karl war nicht da, und Herr Lehmann war auch nicht in der Stimmung, die dicke Frau hinter dem Tresen nach ihm zu fragen. Das war hier nicht seine Welt, und außerdem haötte er dann pro forma ein Schultheiß trinken muössen, und das, dachte Herr Lehmann, wuörde zu weit gehen.
    Also ging er weiter und arbeitete sich die Schlesische Straße hinunter vor bis zum Schlesischen Tor, uberpröfte das griechische Restaurant, in dem Karl manchmal riesige Portionen Gyros in sich hineinschaufelte, den Italiener daneben und eine Autonomen-Kneipe, deren Namen er nicht kannte und auch nicht kennen wollte. Dann ging er am Schlesischen Tor in die Klausur, einen gruftigen Laden mit roten

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