Herr Lehmann
Bösartiges.”
“Was meinen Sie mit bösartig? Wollen Sie den Zollbehörden der Deutschen Demokratischen Republik Bösartigkeit unterstellen?”
“Nicht doch.”
“Was reden Sie dann von Bösartigkeit?”
“Ich meine das Leben im allgemeinen.”
“Herr Lehmann!”
“Ja?”
“Sie faseln.”
“Ja nun, das ist eine ungewöhnliche Situation hier, das hat man nicht alle Tage, da ist man schon mal verwirrt, wer würde da nicht faseln?”
“Niemand, der in Ihrer Lage ist, sollte faseln, das ist nämlich dem Ernst der Sache nicht angemessen.”
“So kann man das natürlich auch sehen.”
“Sind Sie alleine hergekommen?”
“Ja, sicher.”
“Wieso sicher? Keine Freunde oder Freundin, die mitgekommen sind?”
“Nein.”
“Keine Komplizen also?”
“Nun, das ist jetzt nicht ganz korrekt aus dem geschlossen, was Sie gefragt und was ich gesagt habe. Selbst wenn ich mit Freunden oder mit einer Freundin unterwegs gewesen wäre, das heißt, in die Hauptstadt der DDR und so, dann hieße das ja noch lange nicht, daß es sich dabei um Komplizen handelt. Im Gegenteil, es ist so oder so auszuschließen. Denn ich habe ja nicht wissentlich und absichtlich gegen Ihre Gesetze verstoßen, das möchte ich einmal betonen, das liegt mir gewissermaßen am Herzen, und wenn also schon mal nicht ich als jemand gelten kann, der bewußt gegen Gesetze verstoßen hat, dann kann ich so oder so keine Komplizen haben, das würde ja keinen Sinn ergeben.”
“Also keine Begleiter?”
“Nicht, daß ich wüßte.”
“Fangen Sie schon wieder damit an?”
“Womit?”
Der Beamte seufzte. “Was soll’s”, sagte er, wir machen am besten mal ein Protokoll.” Er zog die Schreibmaschine zu sich her und spannte ein Blatt Papier ein. Dann begann er, ein bißchen zu tippen. Mit zwei Fingern, wie Herr Lehmann bemerkte. Ab und zu verklemmten sich die Typenhebel ineinander, und er mußte sie erst wieder auseinanderfieseln. Das schien ihn nicht weiter zu stören. Der ist das gewohnt, dachte Herr Lehmann, das wird dauern.
“So. Protokoll der Vernehmung des Lehmann, Frank, Bürger der selbständigen politischen Einheit Westberlin”, las der Beamte vor. “Datum?”
“ Fünfter elfter”, sagte Herr Lehmann hilfsbereit.
“Stimmt. Name?”
“Das hatten Sie doch schon.”
“Lehmann, Frank”, sagte der Beamte unbeirrt und tippte es auf.
Dann gingen sie an das eigentliche Protokoll. Der Beamte und Herr Lehmann feilschten um jeden Satz. Der am Ende von Herrn Lehmann zu unterzeichnende Schrieb war recht kurz und lief im wesentlichen darauf hinaus, daß Herr Lehmann zugab, gegen die Zollvorschriften und Devisengesetze der Deutschen Demokratischen Republik verstoßen zu haben, er aber Wert auf die Feststellung legte, daß dies nicht wissentlich geschehen war.
“Unwissenheit schützt nicht vor Strafe”, konnte der Beamte sich nicht verkneifen zu bemerken, nachdem Herr Lehmann unterschrieben hatte.
“Schon klar”, sagte Herr Lehmann.
“Sie warten hier”, sagte der Beamte und verschwand.
Nach einer halben Stunde, oder was Herr Lehmann dafür hielt, kam er wieder, aber er war nicht allein. Mit ihm kam ein etwas älterer Uniformierter, dessen Schulterklappen etwas schwerer bepackt waren, und dieser Mann brachte einen kühlen Wind in die Sache.
“Stehen Sie auf”, sagte er.
Herr Lehmann stand auf. Der neue Mann hielt ein Blatt Papier in der Hand, von dem er ablas.
“Gegen Frank Lehmann, Bürger der selbständigen Einheit Westberlin, geboren am 9. November 1959 in Bremen, BRD, ergeht folgender Beschluß: Wegen Verstoßes gegen die Zoll- und Devisengesetze der Deutschen Demokratischen Republik, insonderheit der Paragraphen …”
Er ratterte einige Paragraphen herunter und verlas den Beschluß, dem Herr Lehmann nur mühsam folgen konnte, es war alles etwas eigenartig formuliert.
“Haben Sie verstanden?” fragte der Mann, als er fertig war. Der andere, der Herrn Lehmann vernommen hatte, stand regungslos daneben und schaute an Herrn Lehmann vorbei auf die Wand.
“Ja nun”, sagte Herr Lehmann, “die fünfhundert Mark sind wohl weg.”
“Das Geld, das Sie versucht haben, unangemeldet in die Hauptstadt der DDR einzuführen, wurde eingezogen”, bestätigte der Mann. “Die Hauptstadt der DDR verzichtet für heute auf Ihren Besuch.”
“In Ordnung.”
“Hier haben Sie eine Durchschrift. Sie können gegen diesen Beschluß beim zuständigen Gericht der DDR Beschwerde einlegen, das steht da alles drauf. Mein
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