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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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auf.
    »Ach, ihr seid immer so optimistisch«, jammert Mama. »Ich kann daran nicht glauben!«
    Mit wehmütigem Blick äußert mein Vater das Unglaubliche: »Und wenn es doch zu einer Grenzöffnung kommt?«
    »Dann werde ich wenigstens positiv überrascht«, sprechen wir den Satz im Chor, den meine Mutter zu ihrer Lebensmaxime gemacht hat. Ach Mama, denke ich, du und dein ewiger Pessimismus, der dir das Leben unnütz schwermacht. Auf der anderen Seite hat meine Mama so viel Humor, dass sie mir zwanzig Jahre später erlauben wird, mein Comedy-Publikum mit ihren pessimistischen Sprüchen zu erheitern. Wenn ich auf der Bühne sage: »Ich bin in schwierigen sozialen Verhältnissen großgeworden …« – Pause – verdutzte Blicke im Publikum – »Ich bin ein Lehrerkind!«, lachen alle. Immer.
    Bei meinem Vater ist das anders. Er lacht lieber über andere. Im Moment ist ihm allerdings nicht zum Lachen zumute. Aufgewühlt durch meine Zukunftsvisionen drängt es ihn an den Schreibtisch. Er will unbedingt und sofort eine Rede für die nächste Demonstration auf dem Domplatz schreiben.
    Weil Pauli, von Schneewittchen fasziniert, kein Interesse an uns hat und gebannt vor dem »Bunt«-Fernseher sitzt, schlendern Mama und ich jetzt durch das Andreasviertel.
    So wie meine Mama in Zukunft über die Graffiti an den Häuserfassaden meckern wird, schimpft sie jetzt darüber, dass diese schönen, alten Häuser verfallen.
    »Stell dir vor, Tati, diese wunderbaren Häuser sollen abgerissen werden. Noch gibt es einen Verein, der dagegen ankämpft, aber die haben es schwer. Es gibt ja nicht genügend Baumaterial!« Ich genieße den Anblick dieser Häuser. Früher hat mich das nicht interessiert, aber jetzt. So verfallen werde ich sie nie wieder sehen. »Mama, ich bin ganz sicher, dass nicht nur das Andreasviertel, sondern ganz Erfurt in zwanzig Jahren eine Metamorphose zu einer der schönsten Städte Deutschlands durchmachen wird.« Ich schaue in ihr nachdenkliches Gesicht und stelle amüsiert fest, dass meine Falten in Art und Tiefe bei mir mit fünfzig genauso aussehen, wie jetzt bei ihr. Die Gene eben. Auf die hat meine Mama bei der Partnerwahl strengstens geachtet. Sie erzählt gerne, dass sie sich für Papa mit seiner schmalen Figur, seiner braunen Haut und dem vollen lockigen Haaren entschieden hat, um uns, ihren Töchtern, ihre geringe Körpergröße, die vollschlanke Figur sowie ihre Sommersprossen und ihre dünnen Haare zu ersparen. Ich schaue auf meine kleine, 48-jährige Mama, die neben mir schweigsam durch kleine, von zerfallenen Fachwerkhäusern gesäumte Gassen geht, und frage mich, was sie an sich auszusetzen hat. Ich finde sie hübsch. Ihre Haare sind rotbraun gefärbt, der Pagenschnitt rahmt ihr blasses, schmales Gesicht, sie trägt Kleidergröße 38/40 und ist modisch gekleidet.
    Leicht hatte es meine Mama nicht, denke ich. Als Studentin mit zwei Kindern und einem verrückten, jungen Mann an ihrer Seite, der statt Kinder zu erziehen, lieber Fußball spielte, Rock’n’Roll tanzte und Schabernack im Kopf hatte. Mein Vater wartete manchmal stundenlang in ihrer Studentenbude unter dem gemeinsamen Bett, bis meine Mutter nach Hause kam. Von dieser Warteposition aus fasste er meiner Mutter dann überraschend an den Knöchel oder er kippte aus dem vorher geschlossenen Kleiderschrank vor ihre Füße. Meine Mutter erschreckte sich jedes Mal fast zu Tode. Vielleicht wurde in dieser Phase ihres Lebens der Grundstein dafür gelegt, dass sie so beeindruckend sorgenvoll gucken kann. Wie jetzt gerade. Mitten auf der Krämerbrücke fragt sie mich plötzlich: »Tati, sag mal, musste das sein?«
    »Was?«, frage ich zurück.
    »Na, dass du dich scheiden lassen hast. In einer Partnerschaft muss immer einer zurückstecken, sich unterordnen. Ich mache das auch. Warum kannst du das nicht?«
    »Weil ich das nicht muss, Mama.« Ich bin empört. »Weil wir Frauen nicht mehr abhängig sind, müssen wir auch nicht mehr mit Männern zusammenleben, die nicht zu uns passen. Heutzutage ist Trennung kein Makel mehr. Sogar Stefanie Hertel und Stefan Mross haben sich getrennt, oder Heidi Klum … mit vier Kindern, hat sie ihren Seal verlassen.«
    »Sind das Freunde von dir?« Mama guckt überrascht, weil sie diese Namen noch nie gehört hat. Ich stottere: »Äh, neenee, das sind Bekannte von Bekannten. Kennst du nicht.« Mama guckt irritiert, und ich setze meine Scheidungsberuhigungsrede fort. »Weißt du, ich bin – genau wie diese Bekannten

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