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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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tragen.
     
    »Ich möchte bitte Wolfgang sprechen. Hier ist Anju Sonnleitner.«
    Sie hörte den Mann am anderen Ende der Leitung tief durchatmen. »Ist nicht da, tut mir leid.«
    Natürlich, er tat es ihr gleich, wollte sie nicht sehen und nicht sprechen, und im Grunde hatte sie nichts anderes erwartet, nachdem sie ihn nie eingelassen und auf seine Briefe nicht geantwortet hatte. »Bitte, es ist wichtig. Ich muss ihn dringend sprechen.«
    »Weiß ich nicht, wo ist.«
    Beinahe hätte Anju lächeln müssen; dieser Mann sprach mit genau jenem Akzent, den Wolfgang seinerzeit so köstlich imitiert hatte, als er von seinem Freund erzählte.
    »Können Sie ihm bitte etwas ausrichten, wenn er wiederkommt? Er soll sich dringend bei mir melden. Ja?«
    »Sind Sie von Konzertagentur?«
    »Nein, ich bin … es ist privat.«
    »Also sind Sie Frau, wo hat er geschenkt Teetasse?«
    Anju stutze. Etwas Bedrohliches lag in seinem Ton. »Ja, ich denke, die bin ich. Jedenfalls habe ich eine Tasse von ihm bekommen.«
    Der Pole schwieg lange. Schließlich hörte Anju ihn wieder atmen. »Ist verschwunden, Wolfgang, drei Wochen Minimum. Und habe ich gedacht, ist er bei Ihnen.«
    »Nein. Er muss irgendwo anders sein. Vielleicht bei Verwandten?« Schlagartig wurde ihr klar, dass sie nichts von ihm wusste. Weder wer seine Eltern waren, noch ob er Geschwister oder sonst eine Familie hatte, und eine Art Scham machte sich in ihr breit.
    »Nein, sind alle tot von seine Familie … Mój Boże! Ist etwas passiert, bestimmt. Muss man anrufen in Krankenhäuser …«
    »Nein, das glaube ich nicht, er … er hat mir Briefe geschrieben, erst gestern habe ich einen bekommen, der …« Sie hielt inne. »O mein Gott, natürlich!«
    »Bitte schön?«
    Anju schluckte gegen die Tränen an. »Hören Sie, ich denke, ich weiß, wo er ist. Es ist alles in Ordnung, dass heißt, nein, es … ach, ich … ich werde Ihnen Nachricht geben.« Sie legte auf und schlug die Hände vor das Gesicht.
    Alles fügte sich zusammen. Sein Verhalten, sein Verschwinden, die Briefe, die er ihr geschrieben hatte, das, was Jost und Enno über ihn berichtet hatten. Beklommen öffnete sie die Schublade, in der sie Wolfgangs Briefe verwahrte, las sie wieder und wieder. Entsetzen, Trauer undScham stürzten auf sie ein und mischten sich zu einem einzigen riesigen Schmerz.
     
    Wien, 4 novemb. 2007
     
    abends oder viellmehr Nocte temporis puncto
    und accurat schlag 11 uhr
     
    meine Liebe: Anju
     
    du willst mich zum narren halten, einen Narren aus mir machen, nennst mich einen narren, wenn ich glaubete du liebtest mich nicht mehr und wolltest einem narren wie mir nicht mehr an seite stehen obwohlen ich es allzeit fürchten muß – doch; sey versichert, daß ich dich noch immer ganz närrisch liebe, vernarrt bin, wie es einem alten narren wie mir eben anstehen will und dich weiters lieben werde bis ans Ende dieser narretey – was schreib ich – bis ans ende meiner täge was gewiß ein und daßelbe seyn wird denn einmal narr immer narr – da giebt es keinen andern weg und bleibet die frage ob du einen alten narren haben oder mich zum narren haben willst – nur bitte ich, narre mich nicht gar zu sehr, denn mein herz ist dermalen ein schweres, so vernarrt ist es und so viel liebe hat es noch immer darinnen /und wird alle täge mehr/ daß leicht der platz darin bald verstellt seyn will und nichts anders mehr platz finden kann denn eine kleine narretei am morgen, eine zum Mittag und eine des abends – so schlafe recht wohl brucolina mia iß keinen kohl, dann wird dir leichter seyn – schließ in dein herz mich ein ob ich wohl noch darinnen bin …
     
    tausend närrische küße schicke ich dir und bin allzeit und in ewigkeit dein vernarrter alter narr
    Wolfgang M . N. – arr!
     
    Auf der Baumgartner Höhe, über der sich das Klinikgelände erstreckte, lag eine so unwirkliche Ruhe, als folge die Zeit dort anderen Regeln. Anju brachte es nicht fertig, gleich zu der Station zu gehen, die man ihr genannt hatte. Sie wanderte durch das herbstnasse Parkgelände, das mit den weit auseinanderstehenden Gebäuden, die hier Pavillons hießen, wie eine Kulisse aus vergangener Zeit anmutete, stieg hinauf bis zur Kirche, ließ den Puls der Stadt hinter sich und streifte umher, bis sie das Gefühl hatte, der ruhigen Frequenz dieses Ortes gewachsen zu sein.
    Der Patient sei gerade in sein Zimmer gegangen. Ein Pfleger führte sie einen Gang entlang, klopfte an eine grau lackierte Tür und öffnete

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